Bericht des Johannes 

Kapitel 1

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott; und ein 'Gott' war das Wort. 2 Dies war im Anfang bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort entstanden, und ohne es trat nichts Geschaffenes ins Dasein. 4 In ihm ist Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Das Licht leuchtet im Reich der Finsternis, aber die Finsternis wollte nichts davon wissen. 6 Einer kam als Mensch zur Welt; vom Herrn war er gesandt. Er hieß Johannes. 7 Dieser trat als Zeuge auf; Zeugnis sollte er ablegen für das Licht, damit durch ihn alle zum Glauben an das Licht geführt würden. 8 Er war nicht selbst das Licht, sondern sollte bloß bezeugen, dass das Licht erscheinen würde. 9 Denn Er, der das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, war gerade im Begriff, in die Welt zu kommen. 10 Er war zwar schon immer in der Welt, da sie ja durch ihn ins Dasein trat. Doch die Welt erkannte ihn nicht an. 11 Er kam in sein Eigentum aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Allen aber, die ihn aufnahmen, verlieh er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden; sie brauchten bloß an seinen Namen zu glauben 13 als an den Namen desjenigen, der nicht auf dem Wege der Abstammung, nicht infolge des Naturtriebes des Fleisches, auch nicht durch den Willen eines Mannes, sondern von Gott aus ins Dasein getreten war. - 14 Und das Wort wurde Fleisch und nahm für kurze Zeit seine Wohnung unter uns. Wir schauten seine Herrlichkeit - eine Herrlichkeit, wie sie dem einzigen Sohne zukommt, der vom Vater stammt und voll Gnade und Wahrheit ist.

15 Johannes legte Zeugnis für ihn ab und ließ seine Stimme für ihn erschallen. Er war es, der ausrief: "Nach mir kommt einer, der vor mir war; denn er trat eher ins Dasein als ich. 16 Aus seiner Lebensfülle haben wir alle das Leben empfangen und einen Gnadenerweis nach dem andern. 17 Während das Gesetz uns durch Mose gegeben wurde, ist die Gnade und die Wahrheit uns durch Jesus Christus zuteil geworden. 18Kein Mensch hat Gott jemals gesehen; der eingeborne Sohn, der am Herzen des Vaters ruhte, der hat uns Kunde von ihm gebracht."

19 Folgendes Zeugnis legte Johannes ab, als die jüdischen Führer in Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten und ihn fragen ließen: "Wer bist du?" - 20 Ohne Umschweife bekannte er ganz frei und offen: "Ich bin nicht der Messias!" - 21 "Wer bist du denn?" - fragten sie weiter. "Bist du Elia?" Er sagte: "Nein!" "Bist du der Prophet?" - Er antwortete: "Nein!" - 22 "Aber wer bist du denn?" - entgegneten sie; - "Wir müssen doch denen, die uns hierher geschickt haben eine Antwort bringen. Für wen hältst du dich denn?" - 23 Seine Antwort lautete: "Ich bin der, dessen Stimme in armer Gebirgsgegend den Ruf erschallen lässt: 'Ebnet dem Herrn den Weg!' - wie es der Prophet Isaja vorher verkündet hat." 24 Die Gesandtschaft gehörte zu der Partei der Pharisäer. 25 Sie stellten nun die Frage an ihn: "Warum taufst du denn, wenn du weder der Messias, noch Elia, noch der Prophet bist?" 26 "Ich taufe nur mit Wasser"; - erwiderte Johannes - "aber mitten unter euch steht einer, den ihr noch nicht kennt. 27 Er tritt nach mir auf, obschon er vor mir ins Dasein trat. Ich bin nicht einmal gut genug, ihm auch nur die Sandalen von den Füßen zu lösen." 28 Diese Unterredung fand in Bethanien jenseits des Jordans statt, wo Johannes taufte.

29 Am folgenden Tage sah er Jesus auf sich zukommen. Da rief er aus: "Seht, das ist das Lamm Gottes, das von der Welt die Sünde des Abfalls hinwegnimmt! 30 Dieser ist es, von dem ich euch gestern sagte: 'Nach mir tritt einer auf, der vor mir ins Dasein trat; denn er war eher als ich.' 31 Auch ich kannte ihn nicht. Aber weil Israel ihn kennen lernen sollte, deshalb kam ich mit meiner Wassertaufe." 32 "Ich habe gesehen", - so bezeugte Johannes weiter - "wie der Geist in der Gestalt einer Taube vom Himmel herabschwebte und über ihm blieb. 33 Wie gesagt, ich kannte ihn persönlich nicht. Doch der, welcher mich gesandt hat, um mit Wasser zu taufen, der hatte mir folgende Weisung gegeben: 'Der Mann, auf den du den Geist herabschweben und über dem du ihn verweilen siehst, der ist es, der mit einem heiligen Geist tauft.' 34 Ich war nun Augenzeuge dieses Vorfalls und legte daher das Zeugnis ab, dass er der Sohn Gottes ist."

35 Tags darauf stand Johannes mit zwei seiner Jünger wieder an derselben Stelle, während Jesus dort auf und ab ging. 36 Da richtete Johannes seine Blicke auf ihn und sagte: "Seht das Lamm Gottes!" 37 Kaum hatten die beiden Jünger diese Worte gehört, da folgten sie Jesus auf dem Fuße. 38 Dieser wandte sich um; und als er sah, dass sie auf ihn zukamen, richtete er die Frage an sie: "Was wünschet ihr?" Sie entgegneten: "Rabbi, - das heißt: 'Meister' - wo hast du deine Wohnung?" - 39 "Kommt und seht!" - erwiderte er. Da gingen sie mit ihm und sahen, wo er wohnte. Es war ungefähr zwölf Uhr mittags. Sie blieben den ganzen Tag bei ihm.

40 Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den beiden, welche die Worte des Johannes gehört hatten und daraufhin Jesus gefolgt waren. 41 Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und erzählte ihm: "Wir haben den Messias - das heißt den 'Gesalbten' - gefunden." 42 Er führte ihn zu Jesus. Dieser schaute ihn an und sprach: "Du bist Simon, der Sohn des Johannes; doch von heute ab sollst du 'Kephas' heißen", - was 'Fels' bedeutet.

43 Am folgenden Tage wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen; da traf er den Philippus und sagte zu ihm: "Komm mit mir!" 44 Philippus war aus Bethsaida, dem Heimatort des Andreas und des Petrus. 45 Philippus traf den Nathanael und machte ihm die freudige Mitteilung: "Wir haben den gefunden, von dem sowohl Mose im Gesetz als auch die Propheten in ihren Schriften gesprochen haben. Er heißt Jesus und ist ein Sohn des Joseph aus Nazareth." 46 Da erwiderte Nathanael; "Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?" - "So komm doch und sieh!" - entgegnete Philippus. 47 Als Jesus den Nathanael auf sich zukommen sah, redete er ihn mit den Worten an: "Seht, das ist ein Israelit, wie er sein soll; an ihm ist keine falsche Stelle!" - 48 "Woher kennst du mich denn?" - fragte Nathanael. Jesus gab ihm zur Antwort: "Noch ehe dich Philippus rief, als du unter dem Feigenbaum saßest, hatte ich dich gesehen. - "Meister!" 49 - rief Nathanael aus - "Du bist wirklich der Sohn Gottes - der König von Israel!" - 50 "Du glaubst an mich", -entgegnete Jesus - "weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum gesehen habe. Du wirst jedoch noch Größeres als dies zu sehen bekommen; 51 denn glaubt mir, ihr werdet von nun an den Himmel sich öffnen und die Boten Gottes über, den Menschensohn auf und niedersteigen sehen."

Kapitel 2

1 Zwei Tage später war zu Kana in Galiläa eine Hochzeit. Die Mutter Jesu nahm daran teil; 2 auch Jesus und seine Jünger waren dazu eingeladen. 3 Plötzlich fehlte es an Wein; denn der Hochzeitswein war ihnen ausgegangen. Da wandte sich die Mutter Jesu an ihn mit den Worten: "Sie haben keinen Wein mehr." 4 Jesus gab ihr zur Antwort: "Weib, was brauchst du dich um meine Angelegenheiten zu kümmern? Der Augenblick meines Eingreifens ist noch nicht gekommen." 5 Darauf sagte seine Mutter zu denen, die aufzuwarten hatten: "Sollte er euch irgend eine Anweisung geben, so führet sie sofort aus!" 6 Nun standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, die für die Reinigungen gebraucht wurden, wie sie bei den Juden üblich waren. Jeder von ihnen fasste zwei bis drei große Eimer voll. 7 Da erteilte Jesus den Auftrag, diese Krüge mit Wasser zu füllen. Sofort goss man sie bis zum Rande voll. Dann sagte er: 8 "Schöpfet davon und bringt es dem Festleiter!" Sie taten es. 9 Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war, ohne zu wissen woher der Wein kam. Die, welche das Wasser geschöpft hatten, wussten freilich genau Bescheid. Da ließ der Festleiter den Bräutigam rufen 10 und sagte zu ihm: "Jeder pflegt den guten Wein zuerst vorzusetzen und erst, wenn die Gäste angetrunken sind, den geringeren. Du dagegen hast den guten Wein bis jetzt verwahrt."

11 Damit macht Jesus zu Kana in Galiläa den Anfang seiner Wundertaten und offenbarte so die ihm verliehene Macht, und seine Jünger glaubten an ihn.

12 Später zog er hinunter nach Kapernaum, und zwar er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger. Doch hielten sie sich dort nur kurze Zeit auf; 13 denn das Osterfest der Juden stand vor der Türe, und Jesus ging zu diesem Fest hinauf nach Jerusalem. 14 Er fand dort im Tempel die Verkäufer von Rindern und Schafen und Tauben. Auch Geldwechsler saßen da. 15 Nun flocht er sich aus Riemen eine Geißel und trieb sie alle samt ihren Schafen und Rindern aus dem Tempel. Das Kleingeld der Wechsler schüttete er auf die Erde und stieß ihre Tische um. 16 Zu den Taubenhändlern sagte er: "Schafft das fort von hier! Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Marktplatz!" 17 Sein Vorgehen erinnerte seine Jünger an den Ausspruch der Schrift: "Der Eifer um dein Haus verzehrt ich."

18 Da richteten die Führer des Volkes die Frage an ihn: "Womit kannst du beweisen, dass du in dieser Weise vorgehen darfst?" 19 Er gab ihnen zur Antwort: "Reißet dieses Heiligtum nieder und in drei Tagen baue ich es wieder auf." - 20 "Sechsundvierzig Jahre hat es genommen, um diesen Tempel zu errichten" - riefen die Juden ihm zu - "und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?" 21 Doch er hatte das Heiligtum seines Leibes gemeint. 22 Nach seiner Auferstehung von den Toten erinnerten sich seine Jünger an diese Worte und glaubten dann an die Schrift und an den Ausspruch, den Jesus damals getan hatte.

23 Während der Tage des Osterfestes hielt sich Jesus in Jerusalem auf, und viele kamen zum Glauben an seinen Namen, weil sie die Wunderzeichen sahen, die er wirkte. 24 Jesus selbst aber brachte ihnen kein Vertrauen entgegen, weil er die wahre innere Gesinnung eines jeden kannte. 25 Er hatte daher auch nicht nötig, Erkundigungen über irgend einen Menschen einzuziehen. Er wusste selbst, was in dem Innern eines Menschen vor sich ging.

 Kapitel 3

1 Zu den Pharisäern gehörte ein Mann namens Nikodemus. Er war einer der führenden Männer unter den Juden. 2 Er kam bei Nacht zu Jesus und sprach: "Meister, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott gesandt wurde. Denn niemand kann solche Zeichen wirken, wie du sie wirkst, wenn nicht Gott selbst mit ihm ist." 3 Jesus gab ihm zur Antwort: "Glaube mir, wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen." - 4 "Wie ist es möglich, dass ein Mensch geboren wird, wenn er schon alt ist?" - fragte Nikodemus - "Kann er vielleicht zum zweitenmal in den Schoß seiner Mutter eintreten und geboren werden?" - 5 "Ich kann dir nur wiederholen", - entgegnete Jesus - "dass keiner in die Geisterwelt Gottes eintreten kann, wenn er nicht von einem Geist Gottes hineingeboren wird. 6 Was aus dem Fleisch geboren wird, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren wird, das ist Geist. 7 Darum brauchst du dich nicht darüber zu wundern, dass ich dir sagte, ihr müsstet von oben geboren werden. - 8 Die Geisterwelt Gottes spendet Leben, wo sie will. Du kannst ihre Stimme vernehmen; doch weißt du nicht, woher sie kommt und wohin sie geht. So ist es auch mit jedem, der als ein Kind der Geisterwelt geboren ist." 9 "Wie ist so etwas nur möglich?" - fragte Nikodemus. 10 "Wie?" - entgegnete Jesus - "Du bist ein Lehrer Israels, und verstehst das nicht? Was ich dir sage, ist die Wahrheit. 11 Denn was wir genau wissen, das lehren wir, und was wir gesehen haben, dafür treten wir als Zeuge auf. Freilich, ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. 12 Wenn ich von irdischen Dingen zu euch redete, und ihr mir keinen Glauben schenket, wie solltet ihr da glauben, sobald ich von überirdischen Dingen zu euch spreche? 13 Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen, außer wenn er vom Himmel herabgestiegen war. So ist auch der Menschensohn vom Himmel gekommen; 14 und so, wie Mose einst in der Wüste die Schlange erhöht hat, muss auch der Menschensohn wieder erhöht werden, 15 damit jeder, der zum Glauben kommt, in der Gemeinschaft mit ihm das zukünftige Leben habe. 16 Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das künftige Leben habe. 17 Gott hat ja seinen Sohn nicht deshalb in die Welt gesandt, damit er die Welt verurteile, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt werden; wer aber nicht glaubt, ist schon verurteilt. Seine Verurteilung liegt darin, dass er nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes glaubte. 19 In der Tatsache liegt die Verurteilung, dass das Licht in die Welt kam, die Menschen aber die Finsternis mehr liebten als das Licht; denn ihre Werke waren böse. 20 Jeder Übeltäter hasst nämlich das Licht und scheut sich, dorthin zu gehen, wo das Licht scheint; denn er fürchtet, seine Werke könnten als schlecht gebrandmarkt werden. 21 Wer aber die göttliche Wahrheit zum Leitstern für sein Handeln nimmt, der wandelt gern auf den hell erleuchteten Wegen des Lichtes, so dass jeder sehen kann, dass alles, was er tut, im Einklang mit dem Willen Gottes steht."

22 Nachher begab sich Jesus mit seinen Jüngern in die Landschaft Judäa, wo er kurze Zeit verweilte und die Taufe spenden ließ. 23 Gleichzeitig taufte Johannes zu Aenon, in der Nähe von Salim, weil dort reichlich Wasser war. Die Leute pflegten dorthin zu gehen und sich von ihm taufen zu lassen. 24 Zu dieser Zeit befand sich Johannes nämlich noch nicht im Gefängnis. 25 So kam es denn, dass bei einigen aus dem Jüngerkreis des Johannes sich eine gewisse Eifersucht einschlich, die noch von feindlich gesinnten jüdischen  Führern geschürt wurde. Es handelte sich dabei um die Frage, wer die Taufe als Zeichen der inneren Reinigung vorzunehmen habe. 26 Diese gingen nun zu Johannes. "Meister!" - sagten sie - "der Mann, der jenseits des Jordan bei dir war, und für den du mit deinem Zeugnis eingetreten bist, der tauft jetzt selbst, und alle Welt läuft nun zu ihm." 27 Da gab ihnen Johannes zur Antwort: "Kein Mensch kann sich irgendeine Machtbefugnis aneignen, wenn sie ihm nicht von oben, vom Himmel her, verliehen wurde. 28Könnt ihr mir nicht selbst bezeugen, dass ich  gesagt habe: 'Ich bin nicht der Messias, sondern wurde nur als sein Vorläufer gesandt?' 29 Wer die Braut hat, ist der Bräutigam. Aber der Freund des Bräutigams, der an seiner Seite steht und dessen Worte vernimmt, freut sich von Herzen über den lauten Jubel des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun aufs Höchste gestiegen. 30 Jener muss wachsen, - ich muss abnehmen. 31Denn er kommt von oben als einer, der über allem steht. Wer von der Erde stammt, ist irdisch und redet nach irdischen Begriffen. Derjenige jedoch, der vom Himmel kommt, 32 legt Zeugnis von dem ab, was er selbst sah und hörte. Leider will niemand sein Zeugnis gelten lassen. 33Wer es jedoch als wahr annahm, der erlebte in sich die Bestätigung, dass Gott die Wahrheit ist. 34 Denn wer ein Gesandter Gottes ist, der redet bloß das, was Gott ihm aufgetragen. Gott stellt ihm nämlich zu diesem Zweck seine Geisterwelt zur Verfügung und zwar in ganz außergewöhnlichem Maße. 35 Der Vater hat den Sohn lieb und gab deshalb alles in seine Hand. Wer daher an den Sohn glaubt, der erlangt zukünftiges Leben. 36 Wer jedoch auf den Sohn nicht hören will, der wird kein Leben zu sehen bekommen, sondern die nach Gottes Gesetz dafür festgelegte Strafe wird auf ihm lasten."

Kapitel 4

1 Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen sei, er gewinne mehr Jünger und taufe mehr als Johannes. 2 Übrigens taufte Jesu nicht selbst, sondern ließ seine Jünger die Taufe spenden. 3 Daraufhin verließ er die Landschaft Judäa und kehrte wieder nach Galiläa zurück. 4 Sein Weg führte ihn durch Samaria. 5 Eines Tages gelangte er zu einer samaritischen Stadt namens Sychar. Sie liegt nahe bei dem Felde, das einst Jakob seinem Sohne Joseph geschenkt hatte. 6 Dort befand sich auch der Jakobsbrunnen. Da Jesus von seiner Wanderung ermüdet war, ließ er sich an diesem Brunnen nieder. Es war ungefähr um die Mittagszeit. 7 Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu holen. "Bitte, gib mir zu trinken!" - redete Jesus sie an. - 8 Seine Jünger waren in die Stadt hinein gegangen, um Lebensmittel zu kaufen. 9 - "Wie kommst du dazu", - fragte die Samariterin - "dass du als Jude von mir, einer Samariterin, einen Trunk Wassers verlangst?" Die Juden stehen sich nämlich mit den Samaritern nicht gut. 10 Jesus gab ihr zur Antwort: "Wenn du die Wohltat erkanntest, die Gott dir erweisen will, und wüsstest, wer der ist, der dich eben um einen Trunk Wassers bat, dann hättest du ihn zuerst gebeten, und er würde dir lebendiges Wasser gegeben haben." 11 "Herr", - erwiderte sie - "du hast doch kein Gefäß zum Schöpfen, und der Brunnen ist tief. Woher willst du denn das lebendige Wasser nehmen? 12 Du bist doch nicht etwa größer als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gab und der selbst daraus trank samt seinen Kindern und Herden?" - 13 "Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder durstig"; - entgegnete ihr Jesus - 14 "wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird in alle Zukunft keinen Durst mehr verspüren; vielmehr wird der Trunk, den ich ihm reiche, in ihm zu einer Wasserquelle, die immer weiter sprudelt bis ins künftige Leben hinein" - 15 "Herr", - rief die Frau - "gib mir doch von diesem Wasser, damit ich nicht mehr durstig werde und nicht wieder hierher zu kommen brauche, um Wasser zu holen." 16 "Gehe hin", - erwiderte Jesus - "und rufe deinen Mann! Dann komme wieder hierher!" - 17 "Ich habe keinen Mann", entgegnete sie. Jesus antwortete ihr: "Du behauptest mit Recht, dass du keinen Mann hast; 18 denn fünf Männer hattest du, und der, mit dem du jetzt zusammen lebst, ist nicht dein Ehemann; insofern hast du also die Wahrheit gesagt." - 19 "Herr", - rief die Frau aus - "ich sehe, dass du ein Prophet bist. Dann gib du mir über folgende Frage Auskunft: 20 'Unsere Väter brachten Gott ihre Verehrung auf dem Berge dar, den du da siehst. Ihr jedoch behauptet, in Jerusalem sei die Stätte, wo man Gott verehren müsse'." - 21 "Glaube mir, Frau", - sagt Jesus - "es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem Gott die ihm zukommende Verehrung zollt. 22 Ihr verehrt allerdings jetzt noch, was ihr nicht kennt; wir aber verehren, was wir kennen; denn die Erlösung kommt aus dem Judenvolk. 23 Doch der Zeitpunkt kommt, und er ist jetzt schon da, wo die wahren Gottesverehrer dem Vater ihre Verehrung darbringen, geleitet von einem Geiste und von der Wahrheit. Denn auch der Vater wollte nur solche Verehrer haben. 24 Gott ist ein Geist, und die ihn verehren, müssen daher unter der Leitung eines Geistes Gottes und der Wahrheit Gottes stehen, sobald sie ihm ihre Verehrung darbringen." 25 Da sagte die Frau: "Ich weiß, dass der Messias einmal kommt, den man den Gesalbten Gottes nennt. Sobald er da ist, wird er uns über alles belehren." 26 Da gab Jesus sich ihr mit den Worten zu erkennen: "Ich bin es - ich, der ich jetzt mit dir rede."

27 In diesem Augenblick kamen seine Jünger zurück. Sie wunderten sich, dass er mit dieser Frau sprach. Doch keiner hatte den Mut, ihn zu fragen: "Was willst du von ihr?" oder: "Weshalb sprichst du mit ihr?" 28Die Frau aber ließ ihren Wasserkrug stehen und eilte in die Stadt zurück. Überall rief sie den Leuten zu: 29 "Kommt, da ist ein Mann, der mir alles sagte, was ich je getan! Sollte er etwa der Messias sein?" 30 Da strömte alles zur Stadt hinaus und ging zu ihm. 31 Unterdessen hatten die Jünger ihn immer wieder gebeten: "Meister, iss doch etwas!" 32 Seine Antwort lautete: "Ich habe eine Speise zu genießen, von der ihr nichts wisst." 33 Da dachten seine Jünger bei sich: "Ob ihm wohl sonst jemand etwas zu essen gebracht hat?" - 34 "Meine Speise" - erwiderte Jesus - "besteht darin, dass ich den Willen dessen tue, der mich sandte, und dass ich sein Werk vollende. 35 Habt ihr nicht die Redensart: Vier Monate - und dann die Ernte!?' Doch hört, was ich euch sage: Wenn ihr euch umschaut und die Felder betrachtet, so erkennt ihr, dass sie schon jetzt reif sind zum Abernten. 36 Der Schnitter empfängt seinen Lohn und sammelt Frucht fürs zukünftige Leben, damit Sämann und Schnitter sich gemeinsam freuen können. 37 Denn in diesem Falle trifft das Sprichwort zu: 'Ein andrer ist's, der sät - und ein andrer, der erntet.' 38Ich habe euch ausgesandt, um da zu ernten, wo ihr vorher euch nicht abgemüht hattet. Andere taten die Arbeit, und  ihr braucht bloß die Frucht ihrer Arbeit einzuheimsen."

39 Ein großer Teil der samaritischen Einwohnerschaft dieser Stadt glaubte an ihn, weil die Frau ihnen bezeugt hatte, dass er ihr alle Taten vorgehalten habe. 40 Als nun die Samariter ihn aufsuchten, baten sie ihn dringend, doch bei ihnen bleiben. Er blieb zwei Tage dort. 41 Infolge seiner Predigt wurde die Zahl derer, die zum Glauben kamen, noch viel größer. 42 Man pflegte nun zu der Frau zu sagen: "Jetzt glauben wir nicht mehr wegen dessen, was du uns bezeugtest, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen, dass er wirklich der Erlöser der Welt - der Messias ist."

43 Als die zwei Tage vorüber waren, verabschiedete sich Jesus von ihnen und setzte seine Reise nach Galiläa fort. 44 Zwar hatte er selbst erklärt, dass ein Prophet in seiner eigenen Heimat keine Anerkennung fände. 45 Als er nun in Galiläa ankam, nahmen ihn die Bewohner dieser Landschaft dennoch freundlich auf. Sie taten es jedoch nur deshalb, weil sie Augenzeugen all der wunderbaren Taten gewesen waren, die er in Jerusalem während des Osterfestes vollbracht hatte. Denn auch sie hatten am Osterfest teilgenommen. 46 Er ging nun wieder nach Kana in Galiläa, wo er Wasser in Wein verwandelt hatte.

47 Damals wohnte in Kapernaum ein königlicher Beamter, dessen Sohn erkrankt war. Als er nun hörte, dass Jesus aus Judäa wieder nach Galiläa zurückgekehrt sei, suchte er ihn auf und bat ihn, doch herab zu kommen und seinen Sohn gesund zu machen. Dieser war nämlich dem Tode nahe. 48 Jesus richtete die Worte an ihm: "Wenn ihr Menschen nicht Zeichen und Wunder sehet, wollt ihr nicht glauben." 49 Doch der königliche Beamte flehte ihn an; "Ach Herr! Komm doch, ehe mein Kind stirbt!" - 50 "Gehe hin!" -sprach Jesus - "dein Sohn ist gesund!" Der Mann glaubte dem Worte Jesu und ging heim. 51 Seine Knechte kamen ihm schon mit der freudigen Nachricht entgegen, dass es seinem Sohne gut gehe. 52 Nun erkundigte er sich bei ihnen, um welche Zeit es mit ihm besser geworden sei. "Gestern" - sagten sie - "gegen ein Uhr verließ ihn das Fieber." 53 Da erkannte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: "Dein Sohn ist gesund!" Er und sein ganzes Haus wurden gläubig. - 54 Das war das zweite Wunderzeichen, das Jesus in Galiläa wirkte, und zwar erfolgte es nach einer Rückkehr aus Judäa.

Kapitel 5

1 Zu einem späteren Fest der Juden ging Jesus wieder nach Jerusalem hinauf. 2 Beim Schaftore der Stadt liegt ein Teich, der auf Hebräisch 'Bethesda' heißt. Um ihn herum befinden sich fünf Hallen. 3 Darin pflegten Kranke in großer Anzahl zu liegen: Blinde, Krüppel, Schwindsüchtige und vom Schlagfluss Gelähmte. 4 Sie warteten auf den Augenblick, wo das Wasser in Bewegung geriet. 5 Darunter befand sich auch ein Mann, der schon achtunddreißig Jahre lang krank war. 6 Jesus sah ihn daliegen und wusste, dass er schon lange Zeit dort ausgeharrt hatte. Da richtete er an ihn die Frage: "Willst du gesund werden?" - 7 "Herr", - erwiderte der Kranke - "ich habe ja keinen Menschen, der mich beim Aufwallen des Wassers in den Teich hineinschafft. Und bis ich mich allein hingeschleppt habe, ist schon längst ein anderer mir zuvorgekommen." 8 "Stehe auf!" - sagte Jesus - "Nimm dein Bettzeug und gehe fort!" 9 Da wurde der Mann sofort gesund, nahm sein Bettzeug und ging. Dies war an einem Sabbat. 10 Da riefen die Juden dem Geheilten zu: "Heute ist Sabbat; da darfst du das Bettzeug nicht tragen." 11 Doch er gab ihnen zur Antwort: "Der Mann, der mich gesund machte, gab mir die Weisung, mein Bettzeug zu nehmen und nach Hause zu gehen." - 12 "Wer ist denn der Mann, der dir sagte, du solltest es nehmen und nach Hause gehen?" - fragten sie. 13 Doch der Geheilte wusste nicht, wer es war; denn Jesus hatte sich in dem dort herrschenden Menschengewühl  unbemerkt entfernt. 14 Bald nachher traf Jesus ihn im Tempel und redete ihn mit den Worten an: "Du bist nun gesund geworden; aber du darfst fortan nicht mehr sündigen, sonst könnte dir noch Schlimmeres widerfahren." 15 Eilends entfernte sich der Mann und teilte den Juden mit, dass Jesus es sei, der ihn gesund gemacht habe. 16 Jedesmal, wenn Jesus eine derartige Heilung am Sabbat vollzog, gingen die Juden gegen ihn an. 17 Aber er gab ihnen zur Antwort: "Mein Vater tut seine Werke bis auf den heutigen Tag. In gleicher Weise tue auch ich meine Werke." 18 Wegen dieses Ausspruches trachteten die Juden ihm nur noch schärfer nach dem Leben. Denn sie warfen ihm nun nicht bloß vor, dass er Sabbatschändung beging, sondern dass er sich sogar Gott gleichstelle, indem er Gott als seinen wirklichen Vater bezeichne. 19 In seiner Antwort darauf gab er ihnen folgende Belehrung: "Ich gebe euch die feste Versicherung", - sagte er - "dass der Menschensohn aus sich selbst nicht das Geringste tun kann, sondern der Vater muss ihm zuerst zeigen, wie er es tun soll. Und nur das, was dieser ihm vormacht, kann der Sohn nachmachen. 20 Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alle Werke, die er selbst vollbringt. Ja, er wird dem Sohn Dinge zeigen, die er tun soll, welche die bisherigen weit überragen, damit euer Staunen wachgerufen wird. 21 Wie zum Beispiel der Vater die geistig Toten aus der Tiefe heraufführt und ihnen wieder das geistige Leben verleiht, so spendet auch der Sohn dieses geistige Leben allen, denen er es spenden soll. 22 Ferner fällt der Vater über keinen den Urteilsspruch, sondern hat den Urteilsspruch dem Sohne übertragen, damit alle dem Sohne die ihm zukommende Ehre erweisen, wie sie dem Vater die Ehre geben sollen, die ihm gebührt. 23 Wer dem Sohne die Ehre versagt, wird sie auch dem Vater versagen, der den Sohn gesandt hat. 24 Ich gebe euch die Versicherung, dass der, welcher auf mein Wort hört und an den glaubt, der mich gesandt hat, im Jenseits das Leben erhält. Er braucht nicht mehr vor dem Richterstuhl zu erscheinen, sondern ist durch seinen Glauben aus dem Reich der geistig Toten in das Reich des geistigen Lebens hinübergegangen. 25 Glaubet mir, es kommt die Stunde und sie ist jetzt schon angebrochen, wo die geistig Toten die Stimme des Sohnes Gottes vernehmen und diejenigen, die darauf hören, das geistige Leben erlangen werden. 26 Denn wie der Vater, der von Ewigkeit lebt, das geistige Leben in sich trägt, so hat er auch dem Sohne die Gabe verliehen, das geistige Leben in sich zu tragen. 27 Auch hat er ihm die Gewalt erteilt über die Menschen zu Gericht zu sitzen, weil er ein Menschensohn geworden ist. 28 Wundert euch also nicht darüber, dass einmal die Stunde kommt, wo alle, die in den Höhlen der Finsternis sich befinden, seine Stimme hören werden. 29 Sie werden dann hervorkommen; und zwar wird dies für jene, die das Gute taten, eine Auferstehung zum geistigen Leben sein; für die jedoch, die das Schlechte verübten, eine Vorführung vor den Richter. 30Ich habe nicht die  Macht, irgend etwas aus mir zu tun; nach den Weisungen, die mir auf dem Wege des Hellhörens mitgeteilt werden, treffe ich die Entscheidungen; darum entspricht meine Entscheidung stets dem Willen Gottes; denn nicht, was ich will, führe ich aus,  sondern was der will, der mich gesandt hat."

31 "Wenn ich in eigener Sache Zeugnis ablegen würde, so wäre mein Zeugnis nicht rechtskräftig. 32 Ein anderer ist's, der in meiner Sache als Zeuge auftritt, und ihr wisst, dass das Zeugnis, das er für mich ablegt, der Wahrheit entspricht. 33 Ihr hattet ja eine Abordnung zu Johannes geschickt, und er hat damals ein wahrheitsgetreues Zeugnis über mich abgelegt. 34 Doch ich will mich gar nicht auf das Zeugnis von Menschen berufen, sondern erwähne dies bloß, um euch in schonender Weise auf den Weg eurer Rettung zu führen, wiewohl ich mich mit Recht auf Johannes berufen könnte. 35 Denn er war wirklich die Leuchte der Wahrheit, die mit hellem Schein brannte; und auch ihr wart für eine kurze Zeit willens, euch an diesem Licht der Wahrheit zu erfreuen. 36Doch ich besitze ein größeres Zeugnis als das  des Johannes. Es sind dies die Werke, zu deren Ausführung mein Vater mir die Kraft verlieh. Eben diese Werke, die ich verrichte, beweisen am besten meine Behauptung, das der Vater mich gesandt hat. 37 Aber auch der Vater, der mich sandte, hat in eigener Person Zeugnis über mich abgelegt. Ihr habt allerdings seine Stimme damals nicht gehört und auch die Gestalt nicht gesehen, aus der er sprach; 38 auch der Worte, die er redete, wollt ihr euch nicht mehr erinnern; denn ihr weist ein für allemal jeden Glauben an den zurück, den der Vater gesandt hat. 39 Anstatt dessen verlegt ihr euch auf das Forschen der Schrift und meint, darin das künftige Leben zu besitzen. Und doch legt auch gerade die Schrift Zeugnis für mich ab. 40 Aber ihr seid nun einmal nicht gewillt, zu mir zu kommen, um aus meiner Hand das geistige Leben zu empfangen. 41 Von euch Menschen verlange ich keine Ehre. 42 Aber ich weiß, dass ihr auch keine Liebe zu Gott in euren Herzen tragt. 43 Ich bin im Auftrag Gottes, meines Vaters, zu euch gekommen; doch ihr wollt nichts von mir wissen. Wäre ein anderer ohne höheren Auftrag, also aus eigener Entschließung, zu euch gekommen, ihn würdet ihr annehmen. 44 wie könnt ihr denn zum Glauben kommen, wenn ihr Ehrungen von euresgleichen entgegennehmt, aber nach der Ehre, die von dem alleinigen Gott kommt, kein Verlangen tragt? 45 Denkt ja nicht, dass ich euch beim Vater anklagen will. Es ist schon einer da, der euch verklagt: Es ist Mose - er, auf den ihr eure ganze Hoffnung gesetzt habt. 46 Denn wenn ihr Mose Glauben schenken würdet, so brächtet ihr auch mir Glauben entgegen. Denn ich bin es, über den Mose geschrieben hat. 47 Wenn ihr freilich seinen Schriften den Glauben versaget, wie solltet ihr dann meinen Worten glauben?"

Kapitel 6

1 Darauf begab sich Jesus auf die andere Seite des Galiläischen Meeres, in die Nähe von Tiberias. 2 Eine große Volksmenge folgte ihm auf dem Fuße. 3 Denn sie waren wiederholt Augenzeugen der wunderbaren Heilungen, die er an den Kranken vollzog. 4 Jesus bestieg eine Anhöhe und setzte sich dort in Begleitung seiner Jünger nieder. 5 Das Osterfest, das Hauptfest der Juden, stand nahe bevor. Als Jesus sich umschaute und die gewaltige Volksmenge erblickte, sagte er zu Philippus: "Wo sollen wir Nahrungsmittel herholen, damit diese Leute etwas zu essen bekommen?" 6 Doch wollte er ihn mit dieser Frage bloß auf die Probe stellen. Er selbst wusste genau, was er tun wollte. 7 Philippus gab ihm zur Antwort: "Brot für zweihundert Silberstücke reicht für sie nicht aus, auch wenn jeder bloß ein Stückchen bekommt." 8 Einer von seinen Jüngern, nämlich Andreas, der Bruder des Simon Petrus, machte die Bemerkung: 9 "Es befindet sich hier ein Knabe, der fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat; doch was ist das für so viele?" 10 Jesus gab ihm nun die Weisung: "Lasset die Leute sich lagern!" Der Platz war mit dichtem Graswuchs bedeckt. Darauf ließen die Leute sich nieder. Allein die Zahl der Männer betrug ungefähr fünftausend. 11 Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und ließ sie an die am Boden lagernden Scharen austeilen. Auch von den Fischen erhielt jeder, soviel er wollte. 12 Als alle satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: "Sammelt die Reste, damit nichts verloren geht!" 13 Sie sammelten alles auf und füllten mit den Resten, die von den fünf Gerstenbroten beim Essen übriggeblieben waren, zwölf Körbe. 14 Als die Leute das Wunder sahen, das er gewirkt hatte, riefen sie aus: "Das ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll!" Jesus wusste, dass sie vorhatten, ihn mit Gewalt mit sich zu nehmen und zum König auszurufen. 15 Deshalb zog er sich wieder auf die Anhöhe zurück, ohne jemand mitzunehmen und widmete sich dort dem Gebete. 16 Gegen Abend gingen seine Jünger an den See hinab 17 und stiegen in ihr Boot, um nach Kapernaum hinüber zu fahren. Da hüllte sie plötzlich eine tiefe Dunkelheit ein, während Jesus immer noch nicht zu ihnen zurückgekehrt war. 18 Ein gewaltiger Sturm fegte dahin und wühlte das Meer bis in die Tiefe auf. 19 Sie waren etwa eine Stunde gefahren, da sahen sie Jesus über den See dahinschreiten und auf ihr Boot zukommen. Große Angst befiel sie. 20 Er rief ihnen jedoch zu: "Habt keine Furcht, ich bin es!" 21 Sie wollten ihn nun zu sich ins Boot nehmen. Aber in demselben Augenblick war das Boot bereits gelandet, und zwar an der Stelle, die sie hatten erreichen wollen.

22 Am andern Morgen befanden sich die Volksscharen noch immer am jenseitigen Ufer. Sie hatten am vorhergehenden Abend gesehen, dass dort kein anderes Boot lag, als nur das eine, in das die Jünger Jesu eingestiegen waren, und dass Jesus selbst nicht mit ihnen dieses Boot bestiegen hatte, sondern dass seine Jünger allein abgefahren waren. 23 Nun legten andre Fahrzeuge, die von Tiberias kamen, nahe an der Stelle an, wo tags zuvor die Brotspeisung stattgefunden hatte. 24 Als daher die Volksmenge sah, dass weder Jesus noch seine Jünger dort zu finden waren, stiegen die Leute in diese Fahrzeuge und fuhren nach Kapernaum, um Jesus zu suchen. 25 Als sie ihn nach ihrer Überfahrt dort trafen, fragten sie ihn: "Meister, wann bist du denn hierher gekommen?" 26 Jesus erwiderte: "Ihr sucht mich nicht deshalb auf, weil ihr Wundertaten erlebt habt, sondern weil ihr von dem Brote zu essen bekamt und satt wurdet. 27 Bemüht euch doch nicht um Speise, die vergänglich ist, sondern um Speise, die bis ins künftige Leben bestehen bleibt. Eine solche Speise gibt euch der Menschensohn. Denn ihn hat Gott der Vater dafür ausersehen und ihm sein Siegel aufgedrückt." - 28 "Worin bestehen denn die gottgefälligen Werke, die wir verrichten sollen?" - fragten sie ihn. 29 Er gab ihnen zur Antwort: "Darin besteht das gottgefällige Werk, dass ihr an den glaubt, den Gott gesandt hat." 30Sie fragten weiter: "Was für ein Zeichen kannst du denn vor unsern Augen wirken, damit wir  an dich glauben? Wie weit geht deine Macht? 31 Unsere Väter haben in der Wüste das Manna als Speise gehabt, wie uns in der Schrift in den Worten berichtet wird: 'Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.'" - 32 "Ich sage euch", - entgegnete Jesus - "dass nicht Mose euch das wirkliche 'Brot vom Himmel' gab, sondern mein Vater gibt euch das wahre 'Himmelsbrot'. 33 Denn das wahre 'Brot Gottes ist der, welcher vom Himmel kommt und der Welt das geistige Leben spendet" - 34 "Herr", - sagten sie nun - "schenke auch uns dieses Brot immerdar!" 35 Darauf antwortete ihnen Jesus: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer in Gemeinschaft mit mir tritt, wird niemals mehr Hunger empfinden; und wer auf mich seinen Glauben gründet, der wird nie mehr durstig. 36 Ihr wollt ein Wunderzeichen von mir sehen. Aber ich sagte euch schon, dass auch ihr solche Wunderzeichen gesehen habt; doch ihr wollt nicht glauben. 37 Alles, was der Vater mir geben will, wird in Gemeinschaft mit mir treten. Und wer diese Gemeinschaft mit mir sucht, den werde ich nicht von mir stoßen. 38 Ich bin ja nicht deswegen vom Himmel herabgekommen, um das auszuführen, was ich will, sondern was der Vater will, der mich gesandt hat. 39 Der Wille des Vaters, der mich sandte, besteht aber darin, dass ich von allem, was er mir gab, nicht das Geringste verlieren soll, sondern dass ich am letzten Tage alles wieder zu ihm zurückführe. 40 Darum ist es auch der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn kennen lernt und ihm Glauben schenkt, in der Zukunft das Leben erlangt, und ich ihn an seinem letzten Tage zur Höhe führe."

41 Nun begannen die Juden ihrem Unwillen darüber Ausdruck zu geben, dass Jesus gesagt hatte: "Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist." - 42 "Ist dieser nicht Jesus, der Sohn Josephs", -sagten sie - "dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kommt er nun dazu, die Behauptung aufzustellen, er sei vom Himmel herabgekommen?" - 43 "Murret nicht untereinander!" - erwiderte ihnen Jesus. 44"Niemand kann in Gemeinschaft mit mir treten, wenn mein Vater, der mich sandte, ihn nicht innerlich dazu antreibt, so dass ich ihn an seinem letzten  Tage hinaufführen kann. 45 Es steht ja in den Schriften der Propheten geschrieben: 'Und sie werden alle von Gott unterwiesen sein.' Jeder, der auf die Eingebungen hört, die vom Vater kommen und sie annimmt, der tritt in Gemeinschaft mit mir. 46 Nicht als ob ein Mensch den Vater gesehen hätte; nur wer aus der Umgebung Gottes ist, der hat Gott gesehen. 47 Ich versichere euch auf das Bestimmteste, dass nur der das zukünftige Leben besitzt, der an mich glaubt. 48 Ich bin das Brot des Lebens, 49 Eure Väter aßen in der Wüste das Manna - und dennoch starben sie des geistigen Todes. 50 Dieser hier ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit jeder davon esse und so dem geistigen Tode entrinne. 51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabkam. Wer von diesem Brote isst, der wird in der Zukunft das geistige Leben besitzen. Und das Brot, das ich für das geistige Leben der Welt hingebe, ist mein Fleisch." - 52 Dieser letzte Ausspruch veranlasste einen heftigen Streit unter den Juden. "Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?" - riefen sie aus. 53 Jesus antwortete ihnen: "Ich betone es noch einmal: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, so habt ihr das geistige Leben nicht in euch. 54 Wer aber. mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der besitzt in Zukunft das geistige Leben, und ich werde ihn an seinem letzten Tage zur Höhe führen. 55 Denn mein Fleisch ist tatsächlich eine Speise und mein Blut tatsächlich ein Trank. 56 Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in Gemeinschaft mit mir und ich in Gemeinschaft mit ihm in derselben Weise, wie der Vater mit mir vereint ist und ich mit dem Vater. Glaubet mir, was ich euch sage: Wenn ihr den Leib des Menschensohnes nicht hinnehmt als das Brot des Lebens, so habt ihr kein geistiges Leben, das nur in der Gemeinschaft mit ihm zu finden ist. 57 Wie mich der Vater sandte, der die Quelle des geistigen Lebens ist, und ich mein Leben nur dem Vater verdanke, so wird der, welcher mich in sich aufnimmt, mir sein geistiges Leben verdanken. 58 Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkam. Es ist nicht von der Art, wie eure Väter es gegessen haben und doch des geistigen Todes starben. Wer dieses Brot isst, wird für alle Zukunft das geistige Leben haben."

59 Diese Belehrungen gab Jesus an einem Sabbat in der Synagoge zu Kapernaum. 60 Auch viele von seinen Jüngern, die Ohrenzeugen seiner Worte waren, äußerten sich missbilligend darüber. "Das ist eine harte Rede", - sagten sie - "wer kann sie hören?" 61 Da Jesus von sich aus wusste, dass seine Jünger sich über seine Worte tadelnd aussprachen, richtete er folgende Worte an sie: "Gereicht diese meine Lehre euch zum Anstoß? 62 Wenn ihr nun den Menschensohn dahin aufsteigen sehet, wo er vordem war, - wie werdet ihr dann wohl urteilen? 63 Der Geist ist es ja, der das geistige Leben wirkt; das irdische Fleisch hat keinerlei Wert. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, beziehen sich auf den Geist und das geistige Leben. 64 Doch gibt es manche unter euch, die keinen Glauben haben." Jesus wusste nämlich von vornherein, wer ungläubig bleiben und auch, wer sein Verräter sein würde. 65 Er fügte hinzu: "Darum habe ich euch gesagt, dass niemand in Gemeinschaft mit mir zu treten vermag, wenn ihm nicht dieses Gnadengeschenk von meinem Vater zuteil geworden ist."

66 Von dieser Stunde an zogen sich viele von seinen Jüngern von ihm zurück und begleiteten ihn nicht mehr auf seinen Wanderungen. 67Nun wandte sich Jesus an die Zwölf mit der Frage: "Wollt auch ihr mich  verlassen?" 68 "Meister!" - erwiderte Simon Petrus - "zu wem sollten wir gehen? Nur du bist im Besitz der Lehren, die uns zu dem künftigen geistigen Leben führen. 69 Darum haben wir auch den Glauben und die Überzeugung gewonnen, dass du der Heilige Gottes bist." 70 Darauf gab ihnen Jesus zur Antwort: "Nicht ich habe euch Zwölf für mich ausgewählt; und doch ist einer von euch ein Teufel." 71 Damit meinte er den Judas, den Sohn des Simon aus Kariot. Denn dieser sollte ihn später verraten. Er gehörte zu den Zwölfen.

Kapitel 7

1 Hierauf zog Jesus in Galiläa umher. Denn nach Judäa wollte er deshalb nicht gehen, weil ihm die jüdischen Führer nach dem Leben trachteten. 2 Nun stand das jüdische Laubhüttenfest nahe bevor. Darum sagten seine Brüder zu ihm: 3 "Begib dich doch von hier nach Judäa, damit auch deine dortigen Anhänger die Taten zu sehen bekommen, die du vollbringst. 4 Denn niemand tut ein Werk im Verborgenen, sondern jeder ist bemüht, sich in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen. Wenn du überhaupt solche Taten verrichten willst, dann tritt öffentlich auf!" 5 Damals glaubten nämlich nicht einmal seine eigenen Brüder an ihn. 6 "Meine Zeit ist noch nicht gekommen", - entgegnete Jesus. "Für euch ist freilich jeder Zeitpunkt der geeignete. 7 Denn euch zu hassen, hat die Welt keinen Grund. Mich aber hasst sie, weil ich ihr vorhalte, dass ihre Werke schlecht sind. 8 Gehet ihr nur ruhig zum Fest hinauf! Ich selbst gehe noch nicht zu diesem Fest; denn meine Zeit ist noch nicht da." 9 Mit diesen Worten fertigte er sie ab und blieb in Galiläa. 10 Als jedoch seine Brüder zum Feste abgereist waren, da machte auch er sich auf den Weg. Er ging jedoch nicht in Begleitung anderer, sondern ganz allein für sich. 11 Beim Feste suchten die jüdischen Führer nach ihm und fragten: "Wo ist er denn?" 12 Auch unter der großen Masse des Volkes war er das Tagesgespräch. Die einen sagten: "Er ist ein guter Mensch." Andere jedoch behaupteten: "Nein, er ist ein Volksaufwiegler." 13 Ganz offen wagte keiner seine Meinung zu sagen aus Furcht vor seinen jüdischen Feinden.

14 Schon war die Festwoche zur Hälfte vorbei, da kam Jesus in den Tempel hinauf und hielt Lehrvorträge. 15 Die jüdischen Gegner fragten voll Verwunderung: "Wie kommt der zu dieser Kenntnis der Heiligen Schriften? Er hat doch nicht studiert." 16 Da gab Jesus ihnen zur Antwort: "Das, was ich lehre, habe ich nicht aus mir, sondern von dem, der mich gesandt hat. 17 Wer dessen Willen zu tun sich bemüht, wird an sich selbst erfahren, ob meine Lehre von Gott stammt oder ob ich meine eigenen Ansichten vortrage. 18 Wer seine eigenen Ansichten vorträgt, sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der hält sich genau an die Worte seines Auftraggebers; darum kann bei ihm nichts gefunden werden, was nicht recht wäre. 19 Gab nicht auch Mose euch einen Auftrag in Form des Mosaischen Gesetzes? Und doch richtet sich keiner von euch nach den wahren Gesetzesvorschriften. Aus welchem Grunde sucht ihr mich zu töten?" - 20 "Du bist ja von Sinnen!" - rief ihm die Menge zu; "wer will dich denn töten?" - 21 "Jawohl", - antwortete Jesus - "wegen einer einzigen Tatsache, über die ihr ganz außer Fassung geraten seid, wollt ihr mich töten. 22 Und doch tat ich dasselbe, was Mose tat, als er euch die Beschneidung vorschrieb, und bestimmte, dass ihr sie selbst am Sabbat an einem Menschen vorzunehmen habt. Nebenbei bemerkt, stammt die Beschneidung nicht von Moses, sondern von den Erzvätern. 23 Wenn also ein Mensch sogar am Sabbat beschnitten werden muss, damit das Mosaische Gesetz nicht verletzt wird, warum schäumt ihr denn Gift und Galle gegen mich, weil ich am Sabbat Menschen an Leib und Seele gesund machte? 24 Seid doch in eurem Urteil nicht so oberflächlich, sondern euer Urteil soll so sein, dass es der Sache selbst gerecht wird." - 25 Da sagten einige von den Leuten aus Jerusalem - "Ist. das nicht der Mann, den man töten will? 26 Nun redet er doch in aller Öffentlichkeit, und kein Wort wagt man gegen ihn vorzubringen. Haben etwa die Führer des Volkes tatsächlich erkannt, dass dies der Messias ist? 27 Freilich, von diesem Manne hier wissen wir, woher er stammt. Wenn aber der Messias kommt, von dem weiß niemand, woher er ist." 28 Da rief Jesus ihnen während seiner Predigt im Tempel mit erhobener Stimme die Worte zu: "Jawohl, ihr kennt mich und wisst, woher ich stamme; ihr wisst, dass ich nicht von mir aus gekommen bin; ihr wisst auch, dass es der wahrhaftige Gott ist, der mich gesandt hat. Ihr freilich kennt ihn nicht. 29 Ich jedoch kenne ihn, weil ich von ihm hergekommen bin, und er mich gesandt hat." - 30 Da machten sie wiederholt den Versuch, ihn festzunehmen; aber keiner wagte Hand an ihn zu legen; denn seine Stunde war noch nicht da.

31 Aus dem gewöhnlichen Volke kamen viele zum Glauben an ihn. Denn sie sagten sich: "Wird denn der Messias, wenn er kommt, noch mehr Wunderzeichen wirken können, als dieser gewirkt hat?" 32 Die Pharisäer hörten, wie die Leute aus dem Volke, wenn sie unter sich waren, in dieser Weise ihre Ansicht über ihn äußerten. Das veranlasste die Oberpriester und Pharisäer, Knechte zu schicken, die ihn festnehmen sollten. 33 - "Nur noch kurze Zeit" - sagte Jesus - "bin ich bei euch; dann gehe ich zu dem, der mich gesandt hat. 34 Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden; denn wo ich dann bin, dahin könnt ihr mir nicht folgen." 35 Da fragten die Juden einander: "Wohin will er denn gehen, dass wir ihn nicht finden könnten? Will er etwa zu den unter den Griechen zerstreut lebenden Juden gehen und den Griechen predigen? 36 Oder was könnte er sonst mit den Worten meinen: "Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden' - und: 'Wo ich bin, dahin könnt ihr mir nicht folgen?'"

37 Am letzten Tage der Festwoche, dem sogenannten 'Großen Tag', stand Jesus vor ihnen und rief wiederholt mit erhobener Stimme ihnen zu: "Wer Durst hat, der komme und trinke im Glauben an mich! 38Dann werden nach den  Worten der Schrift Ströme lebendigen Wassers aus seinem Innern hervorquellen." 39 Damit deutete er auf den Geist hin, den diejenigen empfangen sollten, die an ihn glauben würden; denn ein Geist war noch nicht auf sie gekommen, weil Jesus noch nicht in seine Herrlichkeit eingegangen war. 40 Unter dem Volke, das diese seine Aussprüche Jesu hörte, wurden die verschiedensten Meinungen geäußert. Die einen sagten: "Das ist wirklich der Prophet!" 41 Andere: "Er ist der Messias!" Wieder andere meinten: "Der Messias kommt doch nicht aus Galiläa! 42 Steht nicht in der Schrift, dass der Messias aus dem Geschlecht Davids und aus dem Orte Bethlehem, der Stadt Davids, kommen soll?" 43 So war man im Volke über ihn geteilter Meinung. 44Eine gewisse  Klasse hätte ihn am liebsten festgenommen, aber keiner hatte den Mut, Hand an ihn zu legen.

45 So kamen denn die Knechte zu den Oberpriestern und Pharisäern unverrichteter Sache zurück. "Warum habt ihr  ihn nicht mitgebracht?" - fragten sie die Knechte. 46 "Noch nie hat ein Mensch so geredet, wie dieser", - antworteten jene. 47 "Habt auch ihr euch etwa betören lassen?" entgegneten ihnen die Pharisäer. 48 "Ist denn einer von den Führern des Volkes oder ein Pharisäer zum Glauben an ihn gekommen? 49Nein, nur dieses  gemeine Pack, das vom Gesetz nichts versteht! - Der Fluch treffe es!"

50 Nikodemus, einer von den Führern des Volkes, redete ihnen ins Gewissen. Es war derselbe Nikodemus, der früher einmal Jesus aufgesucht hatte. 51 "Ist es denn nach unserm Gesetz erlaubt", - sagte er -"diesen Mann zu verurteilen, ohne dass man ihn vorher verhört und ihn seiner Schuld überführt hat?" 52 "Bist du vielleicht auch aus Galiläa?" - fragten sie ihn spöttisch. "Forsche doch in der Schrift, und du wirst selbst zu der Einsicht gelangen, dass kein Prophet aus Galiläa stammt." 53 So gingen sie auseinander und begaben sich nach Hause.

Kapitel 8

1 Jesus ging zum Ölberg 2 und kehrte bei Tagesanbruch wieder in den Tempel zurück. Alles strömte zu ihm, und er setzte sich mitten unter sie und trug ihnen seine Lehre vor. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau zu ihm, die man beim Ehebruch ertappt hatte, und stellten sie dicht vor ihn hin. 4 Dann wandten sich die Priester, die ihm eine Falle stellen wollten, um einen Grund zur Anklage gegen ihn zu gewinnen, mit den Worten an ihn: "Meister, diese Frau ist als Ehebrecherin auf frischer Tat ertappt worden. 5 Nun hat Mose uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du nun dazu?" 6 Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger in den Staub am Boden. 7 Als sie nun immer dreister eine Antwort von ihm verlangten, richtete er sich aus seiner gebückten Stellung auf und sagte: "Wer von euch ohne eine solche Sünde ist, soll zuerst einen Stein auf sie werfen!" 8 Dann bückte er sich wieder und schrieb auf dem Boden weiter. 9 Als sie diese Worte hörten, begannen die jüdischen Führer, einer nach dem andern, sich zu entfernen, vom Ältesten bis zum Jüngsten, so dass zum Schluss alle fort waren und nur Jesus und die Frau, die vor ihm stand, zurückblieben. 10 Da richtete sich Jesus empor und fragte die Frau: "Wo sind die denn hin? Wollte keiner mit der Steinigung den Anfang machen?" - 11 "Keiner, Herr", - antwortete die Frau. "Auch ich spreche dir nicht dein Todesurteil", - entgegnete Jesus; "nun gehe nach Hause und gib von jetzt an dein Sündenleben auf!"

12 Bei einer andern Gelegenheit trug er ihnen folgendes vor: "Ich bin das Licht der Welt. Wer in meine Fußstapfen tritt, der wird nicht in der Finsternis umherirren, sondern das Licht des geistigen Lebens haben." 13 Da entgegneten die Pharisäer: "Du legst für dich selbst Zeugnis ab; darum ist dein Zeugnis wertlos." 14 Jesus gab ihnen zur Antwort: "Auch wenn ich für mich selbst Zeugnis ablege, so entspricht mein Zeugnis doch der Wahrheit. Denn ich weiß, woher ich kam und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. 15 Ihr urteilt bloß nach der äußern Erscheinung. Danach beurteile ich niemand. 16 Wenn ich ein Urteil abgebe, so entspricht mein Urteil der Wahrheit. Denn in einem solchen Falle stehe ich mit meinem Urteil nicht allein. Es ist sowohl mein Urteil als auch das Urteil dessen, der mich gesandt hat. 17 Selbst in eurem Gesetz ist die Bestimmung enthalten, dass das Zeugnis von zweien als der Wahrheit entsprechend anzusehen ist. 18 Nun bin ich der eine, der über mich Zeugnis ablegt und der zweite, der mich bezeugt, ist der Vater, der mich gesandt hat." 19 "Wo ist denn dein Vater?" - fragten sie ihn. "Ihr kennt meinen Vater ebenso wenig wie mich", - lautete seine Antwort. "Würdet ihr mich kennen, so wäre euch auch mein Vater bekannt." - 20 Diese Auseinandersetzungen hatte er mit ihnen, als er in der Nähe des Opferkastens saß und vor dem im Tempel anwesenden Volke eine Ansprache hielt. Doch wagte niemand, Hand an ihn zu legen, weil seine Stunde noch nicht gekommen war.

21 Ein anderes Mal sagte er in seinem Vortrag: "Ich gehe fort von euch. Ihr werdet dann nach mir suchen, aber in eurer Sünde des Abfalls werdet ihr sterben. Darum könnt ihr nicht dahin gelangen, wohin ich gehe." 22 Da fragten die Juden einander: "Hat er etwa vor, sich das Leben zu nehmen, weil er sagt: "Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht gelangen."" 23 Er erwiderte: "Ihr gehört zu denen, die aus der Tiefe kommen; ich zu denen aus der Höhe. Ihr seid Bürger dieses Weltreiches; ich gehöre nicht zu diesem Reich. 24 Darum sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden des Abfalls sterben werdet. Denn wenn ihr mir nicht glaubet, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe, werdet ihr in euren Sünden des Abfalls sterben." 25 Da fragten sie ihn: "Wer bist du denn?" Jesus gab ihnen zur Antwort: 26 "Spreche ich denn nicht schon von Anfang an zu euch davon, wer ich bin? Aber wer ihr seid, darüber hätte ich noch vieles zu sagen und noch manches wahre Urteil abzugeben. Denn der mich gesandt hat, spricht nur, was wahr ist; und zu der Welt rede ich nur das, was ich von ihm gehört habe." 27 Sie verstanden nicht, wie er ihnen gegenüber Gott als seinen Vater bezeichnen konnte. 28 Darum fuhr er fort: "Wenn ihr dem Menschensohn das Schicksal werdet bereitet haben, das ihn zum Himmel führt, dann werdet ihr erkennen, dass ich wirklich der bin, als den ich mich ausgegeben habe, und dass ich nichts aus mir selbst tue, sondern so rede, wie es mich der Vater gelehrt hat. 29 Und er, der mich gesandt hat, steht in Verbindung mit mir. Er hatte keinen Grund, mich im Stich zu lassen; denn ich tue ja allezeit das, was ihm wohlgefällt."

30 Infolge dieser Belehrung kamen viele zum Glauben an ihn. Doch gab er denen aus dem Judenvolke, die gläubig geworden waren, folgende Mahnung: 31 "Erst dann, wenn ihr in meiner Lehre verharret, gehört ihr zu meinen wahren Jüngern; 32 und erst dann werdet ihr die volle Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch innerlich frei machen." 33 Da riefen ihm seine Gegner zu: "Wir sind Abrahams Nachkommen und standen noch niemals unter der Dienstbarkeit eines andern. Wie kannst du also sagen, wir würden frei werden?" 34 Jesus entgegnete: "Jeder, der die Sünde des Abfalls begeht, wird zum Sklaven. 35Der Sklave bleibt nicht für alle künftigen Zeiten in der Familie seines Herrn; der Sohn jedoch bleibt für alle Zeiten in seiner  Familie. 36 Wenn nun der Sohn euch von eurer Sklaverei frei macht, dann werdet ihr für immer frei sein. 37 Ich weiß, dass ihr Nachkommen Abrahams seid. Trotzdem sucht ihr mich zu töten; denn eure Herzen sind für meine Lehre nicht empfänglich. 38 Und doch trage ich nur das vor, was ich durch die Verbindung mit meinem Vater erfahren habe. In gleicher Weise sollt auch ihr das tun, was ihr von eurem Vater vernommen habt." 39 Sie gaben ihm zur Antwort: "Abraham ist unser Vater." Jesus erwiderte: "Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, dann würdet ihr auch Abrahams Werke tun.

40 Nun seid ihr es aber, die mich umbringen wollen, - mich, der ich euch nur die reine Wahrheit verkündete - eine Wahrheit, die ich von Gott vernommen habe. So etwas tat Abraham nicht. 41 Ihr habt einen ganz andern Vater, und dessen Werke tut ihr." - "Wir sind doch nicht etwa uneheliche Kinder?" - erwiderten sie - "Nur Einen haben wir zum Vater - nämlich Gott!" - 42 "Wäre Gott euer Vater" - antwortete Jesus - "dann würdet ihr mich lieben; denn ich kam ja von Gott her und bin in seinem Auftrag hier. Ich kam nicht von mir aus, sondern Er ist es, der mich sandte. 43 Wie kommt es nun, dass ihr meine Art zu reden nicht versteht, ja dass ihr meine Lehre nicht einmal ruhig anzuhören imstande seid? 44 Es kommt daher, weil ihr vom Teufel als eurem wirklichen Vater stammt und daher die Wünsche dieses eures Vaters ausführen wollt. Dieser war ein Menschenmörder von Anbeginn. Er steht nicht auf dem Boden der Wahrheit, weil sein ganzes Sein Unwahrheit ist. Wenn er also lügt, dann redet er aus seinem eigensten Wesen heraus. Denn er ist die verkörperte Lüge und jeder Lügner hat ihn zum Vater. 45 Weil ich nun im Gegensatz zu ihm die Wahrheit lehre, darum glaubt ihr mir nicht. 47 Denn nur wer von Gott herkommt, hört auf die Worte Gottes. Das ist der Grund, weshalb ihr nicht darauf hört; denn ihr kommt nicht von Gott her." 48 Darauf antworteten ihm seine jüdischen Gegner: "Sagen wir nicht mit vollem Recht, dass du ein Samariter und von einem bösen Geist besessen bist?" - 49 "Ich bin von keinem bösen Geist besessen", - entgegnete Jesus - "sondern ehre meinen Vater; aber ihr entehret mich. 50 Ich suche zwar nicht meine Ehre. Aber es ist Einer da, der für meine Ehre eintritt und als Richter sein Urteil fällt. 51 Ich beteure es: Wenn einer meine Lehre befolgt, wird er in Zukunft den Tod nicht sehen." - 52 "Jetzt ist es uns vollkommen klar", -riefen ihm seine jüdischen Feinde zu - "dass du von einem bösen Geist besessen bist. Denn Abraham starb und die Propheten starben; und du wagst zu behaupten: Wer mein Wort befolgt, wird in Zukunft den Tod nicht schmecken? 53 Bist du etwa größer als Abraham, der sterben musste? und die Propheten mussten sterben. Welche Größe nimmst du denn eigentlich für dich in Anspruch?" - 54 Jesus gab ihnen zur Antwort: "Wenn ich mich selbst groß machen wollte, dann wäre mein Großtun wertlos. Der meine wahre Größe bestimmen wird, ist mein Vater, von dem ihr behauptet, er sei euer Gott. 55 Aber ihr kennt ihn ja gar nicht. Ich jedoch kenne ihn. Und würde ich sagen, dass ich ihn nicht kenne, so wäre ich ein Lügner, wie ihr. Doch ich kenne ihn und befolge sein Wort. 56 Euer Vater Abraham jubelte, dass er den Tag meines Erscheinens voraussehen durfte. Jetzt sah er ihn in Wirklichkeit und war voller Freude." - 57 "Was?" - riefen die Juden ihm zu - "Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt, und Abraham sollte dich gesehen haben?" - 58 "Ich sage euch die Wahrheit" - erwiderte Jesus - "Ich bin älter als Abraham." 59 Da hoben sie Steine auf, um ihn tot zu werfen. Jesus aber wurde vor ihren Augen unsichtbar gemacht und verließ den Tempel.

Kapitel 9

1 Im Vorbeigehen sah er einen Mann dasitzen, der von Geburt an blind war. 2 Da fragten ihn seine Jünger: "Meister, wessen Sünden sind schuld, dass dieser blind geboren ist? Seine eigenen Sünden oder die seiner Eltern?" - 3 "Weder seine noch seiner Eltern Sünden sind daran schuld", - erwiderte Jesus - "sondern die Wunderwerke Gottes sollten an ihm offenbart werden. 4 Die Wunderwerke dessen, der mich gesandt hat, habe ich zu wirken, solange es hell ist; es kommt die Nacht, wo niemand wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt." 6 Nach diesen Worten spie er auf die Erde, machte mit dem Speichel einen Teig, strich dem Blinden den Teig auf die Augen 7 und sprach zu ihm: "Geh und wasche dich im Teiche 'Siloah'. (Dieser Name bedeutet: Springquelle)." Er ging und wusch sich und kam sehend zurück. 8 Die Nachbarn und alle die, welche ihn früher als den blinden Bettler gekannt hatten, fragten erstaunt: "Ist das nicht der Mann, der sonst da saß und bettelte?" 9 Die einen behaupteten: "Ja, er ist's!" Andere meinten: "Nein, er sieht ihm nur ähnlich!" Endlich ergriff er selbst das Wort und sagte: "Ja, ich bin der, den ihr meint" - 10 "Auf welche Weise bist du denn sehend geworden?" fragten sie weiter. 11 Er antwortete: "Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich mir die Augen damit und forderte mich auf, zum Siloahteich zu gehen und mich dort zu waschen. Ich ging hin, wusch mich und kam sehend zurück." - 12 "Wo ist denn dieser Mann?" fragten sie nun. "Ich weiß es nicht", war seine Antwort. 13 Darauf führte man den blind Gewesenen zu den Pharisäern. 14 Nun war der Tag, an dem Jesus den Teig gemacht und dem Blinden das Augenlicht wiedergegeben hatte, ein Sabbat. 15 Auch die Pharisäer stellten zunächst die Frage an ihn, wie er sehend geworden sei. Er gab ihnen zur  Antwort: "Er strich mir einen Teig über die Augen, dann wusch ich mich, und nun kann ich sehen." 16 Da sagten einige von den Pharisäern: "Jener Mensch kann nicht von Gott kommen; er hält ja den Sabbat nicht." Andere jedoch wandten dagegen ein: "Wie könnte ein mit Sünden beladener Mensch solche Wunder tun?" So waren sie geteilter Meinung. 17 Nun wandten sie sich an den blind Gewesenen mit der Frage: "Was hältst du denn von ihm, weil er imstande war, dir das Augenlicht wiederzugeben?" - "Er ist ein Gesandter Gottes!" - war seine kurze Antwort. 18 Da wollten die Juden überhaupt nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden sei. Schließlich ließen sie seine Eltern rufen 19 und stellten an sie die Frage: "Ist dies euer Sohn, von dem ihr behauptet, er sei blind auf die Welt gekommen? Und wie kommt es, dass er jetzt sehen kann?" 20 "Dass dies unser Sohn ist, wissen wir", entgegneten die Eltern: "auch, dass er blind geboren ist. 21 Wie es aber kommt, dass er jetzt sehen kann, wissen wir nicht; und wer ihm die Augen geöffnet hat, ist uns ebenfalls unbekannt. Fraget ihn doch selbst; er ist ja alt genug, Auskunft darüber zu geben." 22 Das sagten die Eltern aus Furcht vor den jüdischen Führern; denn diese hatten bereits miteinander abgemacht, jeden in den Bann zu tun, der Jesus als den Messias bekennen würde. 23 Das war der Grund, weshalb seine Eltern sagten: "Er ist alt genug; fragt ihn selbst!" 24 So ließen sie denn den Mann, der blind gewesen war, zum zweitenmal rufen und richteten die Worte an ihn: "Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass jener Mensch ein Sünder ist." - 25 "Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht", - entgegnete er - "aber das weiß ich, dass ich blind zur Welt kam und jetzt sehen kann." 26 Wiederum stellten sie die Frage: "Was hat er denn mit dir gemacht? Auf welche Weise hat er dir die Augen geöffnet?" 27 - "Ich habe es euch doch schon gesagt"; - erwiderte er - "und ihr habt es nicht beachtet; warum wollt ihr es denn noch einmal hören? Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?" 28 Da stießen sie Schmähungen gegen ihn aus. "Sei du sein Jünger!" riefen sie; "wir sind des Mose Jünger. 29 Wir wissen, dass Gott zu Mose gesprochen hat, und dass Gott Sünder nicht erhört; von diesem aber wissen wir nicht, woher er kommt." - 30 "Es ist doch sehr merkwürdig", - sagte der Mann - "dass ihr nicht wissen solltet, woher dieser ist, wo er mir doch die Augen geöffnet hat. 31 Es ist uns allen bekannt, dass Gott keinen Sünder erhört; nur wer gottesfürchtig ist und den Willen Gottes tut, den erhört er. 32 Seit die Welt steht, hat man noch nicht gehört, dass jemand einen blind Gebornen sehend gemacht hat. 33 Wenn also dieser Mann nicht von Gott käme, so könnte er nichts Derartiges vollbringen." 34 Da riefen sie ihm zu: "Was? Du willst uns belehren, du ganz aus Sündenschlamm Geborener!" Und sie stießen ihn aus ihrer Religionsgemeinschaft aus.

35 Jesus erfuhr, dass sie ihn in den Bann getan hatten. Als er ihn traf, richtete er die Frage an ihn: "Glaubst du an den Sohn Gottes?" - 36"Herr", entgegnete er - "wer ist das denn? Ich möchte ja  so gern an ihn glauben!" - 37 "Du hast ihn gesehen", - erwiderte ihm Jesus - "und der ist's, der jetzt mit dir redet!" - 38 "Herr, ich glaube", - rief der Mann aus - und warf sich vor ihm nieder. 39 Jesus fuhrt fort: "Um einen Urteilsspruch zu fällen, bin ich in diese Welt gekommen, demzufolge die, welche als blind galten, zu den Sehenden gerechnet zu werden, und, die sich für sehend hielten, zu den Blinden zu zählen sind." 40 Diejenigen von den Pharisäern, die in seiner Nähe standen und sein Gespräch mit anhörten, wandten sich mit der Frage an ihn: "Werden wir etwa zu den Blinden gerechnet?" - 41 "Wäret ihr wirklich blind", - antwortete er ihnen - "so würde euch dieser Blindheit nicht zur Sünde gerechnet; nun aber behauptet ihr, zu den Sehenden zu gehören, darum bleiben eure Sünden bestehen."

Kapitel 10

1 "Ich gebe euch die Versicherung: Wer nicht durch die Türe in die Schafhürde hineingeht, sondern anderswo über die Hürde steigt, ist als Dieb und Räuber zu betrachten. 2 Wer aber durch die Türe hineingeht, der ist der Hirt der Schafe. 3 Ihm macht der Torhüter auf, und die Schafe hören auf seine Stimme. Er ruft seine Schafe bei Namen und führt Sie hinaus. 4 Hat er alle, die ihm gehören, hinausgebracht, dann geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm auf dem Fuße; denn sie kennen seine Stimme. 5 Einem Fremden jedoch folgen sie keinen Schritt; im Gegenteil, sie ergreifen vor ihm die Flucht, weil sie die Stimme von Fremden nicht kennen."

6 In diesem Gleichnis suchte Jesus ihnen seine Lehre klar zu machen; doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. 7 Darum fuhr er fort: "Ich bin die Türe, durch die man zu den Schafen gelangt. 8 Alle, die zuvor gekommen sind, waren Diebe und Räuber. Darum haben die Schafe nicht auf sie gehört. 9 Ich bin die Türe. Wer durch mich in die Hürde geht, wird gerettet werden. Er wird aus und eingehen und einen Weideplatz finden. 10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und Unheil anzurichten. Ich bin gekommen, damit sie ihre Nahrung bekämen und zwar reichlich bekämen. 11 Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt setzt sein Leben für seine Schafe ein. 12 Der Mietling kann überhaupt nicht als Hirt angesehen werden; denn die Schafe sind nicht sein Eigentum. Sieht er einen Wolf kommen, dann lässt er die Schafe im Stich und ergreift die Flucht. Und der Wolf raubt sie und sprengt sie auseinander. 13 Jener ist eben nur ein Mietling, und an den Schafen liegt ihm nichts. 14 Ich jedoch bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und diese kennen mich, 15 so wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne. Ich gebe mein Leben für die Schafe. 16 Ich habe auch noch andere Schafe, die nicht zu meiner jetzigen Hürde gehören. Auch sie muss ich herbeiholen, und sie werden auf meine Stimme hören, und es wird dann eine Herde und ein Hirt sein. 17 Der Vater hat mich deswegen so lieb, weil ich mein Leben hingebe, um es wiederzuerhalten. 18 Niemand kann es mir mit Gewalt nehmen, sondern ich gebe es freiwillig hin. Ich bin ermächtigt, es hinzugeben und bin ermächtigt, es wieder an mich zu nehmen. Diese Ermächtigung habe ich von meinem Vater erhalten."

19 Wegen dieser Worte kam es wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Juden. 20 Viele von ihnen sagten: "Er ist von einem bösen Geist besessen und seiner Sinne nicht mehr mächtig. Warum hört ihr ihn überhaupt noch an?" 21 Andere jedoch behaupteten: "Das ist nicht die Sprache eines Besessenen. Und zudem, kann etwa ein Besessener einem Blinden das Augenblick wiedergeben?"

22 In Jerusalem wurde das Fest der Tempelweihe gefeiert. Es war Winter. 23 Jesus ging in der sogenannten ' Halle Salamos' auf und ab. 24 Da umringten ihn seine jüdischen Gegner und richteten die Frage an ihn: "Wie lange willst du uns noch in Ungewissheit lassen? Sage uns endlich mit klaren Worten: Bist du der Messias?," - 25 "Ich habe es euch längst gesagt", - entgegnete Jesus - "aber ihr wollt es ja nicht glauben. Und doch beweisen die Werke, die ich im Auftrage meines Vaters vollbringe, es am besten, dass ich es bin. 26 Aber weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört, darum glaubet ihr es nicht. 27 Denn meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie genau, und sie folgen mir auf dem Fuße. 28 Ich gebe ihnen künftiges Leben. Sie sollen nicht mehr länger dem Verderben preisgegeben sein. Denn niemand wird sie meiner Hand entreißen. 29 Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist ja größer als alle. Niemand ist daher stark genug, ihm etwas aus der Hand zu nehmen. 30 Nun aber stehe ich in der innigsten Gemeinschaft mit meinem Vater."

31 Da hoben seinen jüdischen Feinde wiederum Steine auf, um ihn zu töten. 32 Jesus trat ihnen mit den Worten entgegen: "In vielen wunderbaren Werken habe ich euch die Macht bewiesen, die ich vom Vater erhalten habe. Für welches dieser Werke wollt ihr mich nun steinigen?" - 33 "Nicht wegen eines guten Werkes wollen wir dich steinigen", - antworteten die Gegner - "sondern wegen Gotteslästerung; denn du, der du doch nur ein Mensch bist, machst dich zu einem Gott." 34 Jesus gab ihnen zur Antwort: "Steht nicht im Gesetz geschrieben: 'Ich habe gesagt: 'Ihr seid Götter!'?' - 35 Wenn nun die Schrift diejenigen 'Götter' genannt hat, an die ein Auftrag Gottes erging, - und die Schrift sagt doch die Wahrheit - 36 wie könnt ihr da mir, den doch der Vater weihte und als seinen Gesandten zur Welt schickte, Gotteslästerung vorwerfen, weil ich behauptete, ich sein ein 'Sohn Gottes'? - 37 Entweder tue ich nicht die Werke meines Vaters, - und dann braucht ihr mir nicht zu glauben; 38 oder ich tue sie, - dann müsst ihr wenigstens den Werken glauben, wenn ihr auch meinen Worten nicht glauben wollt. Denn durch meine Werke sollt ihr zu der Erkenntnis gelangen, dass der Vater in der Gemeinschaft mit mir ist, und ich in der Gemeinschaft mit dem Vater bin." 39 Da suchten sie ihn festzunehmen; doch er entschwand ihren Händen.

40 Nun begab er sich wieder nach dem Ostjordanland an die Stelle, wo Johannes zum erstenmal getauft hatte. 41 Dort blieb er. Viele kamen zu ihm. Diese Leute unterhielten sich öfters darüber, dass Johannes zwar kein einziges Wunder gewirkt habe, dass aber alles sich als wahr erwiesen, was er über diesen Mann verkündete. 42 So kamen auch dort viele zum Glauben an ihn.

Kapitel 11

1 Ein Mann namens Lazarus lag krank danieder. Er wohnte in Bethanien, dem Heimatort der Maria und Martha. Diese waren seine Schwestern. 2 Maria war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte. Ihr Bruder Lazarus war also, wie gesagt, krank. 3 Die Schwestern sandten nun Boten zu Jesus und ließen ihm melden: "Herr, den du so gern hattest, er ist schwer erkrankt." 4 Bei dieser Nachricht sagte Jesus: "Diese Krankheit wird nicht den Tod zur Folge haben, sondern dient zur Verherrlichung Gottes, und auch, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde. 5 Jesus hatte Martha und ihre Schwester und Lazarus sehr lieb. 6 Trotzdem blieb er auf die Nachricht von seiner Krankheit noch zwei Tage an der Stelle, wo er sich augenblicklich aufhielt. 7 Dann erst sagte er zu seinen Jüngern: "Wir wollen wieder nach Judäa zurückkehren." - 8"Meister", - entgegneten ihm seine Jünger - "eben erst haben die Juden dich steinigen wollen, und du willst  schon wieder dorthin gehen?" 9Doch Jesus gab ihnen zur Antwort: "Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn man bei Tage seine Wanderung macht, so tut - man keinen Fehltritt, weil man im Schein dieses irdischen  Lichtes gut sehen kann; 10wandert man aber bei Nacht, dann tritt man gern fehl, weil bei Nacht kein Licht scheint." 11 Nach diesen Worten fuhr er fort: "Unser Freund Lazarus ist eingeschlummert; aber ich gehe hin, um ihn aus dem Schlafe aufzuwecken." - 12 "Herr", - erwiderten sie - "wenn er eingeschlummert ist, wird er wieder genesen." 13 Jesus hatte seinen Todesschlaf gemeint; jene aber glaubten, er rede vom Schlummer des natürlichen Schlafes. 14 Da sagte er ihnen denn offen heraus: "Unser Freund Lazarus ist gestorben. 15 Und euretwegen bin ich froh, nicht dort gewesen zu sein, damit ihr glauben sollt; doch nun wollen wir zu ihm gehen." 16 Darauf sagte Thomas, den man den 'Zwilling' nannte, zu seinen Mitaposteln: "Ja, wir wollen mitgehen und mit ihm sterben." 17 Als Jesus nach Bethanien kam, hörte er, dass Lazarus schon vier Tage im Grabe lag. 18 Da Bethanien nur ein Stündchen von Jerusalem entfernt war, 19hatten viele aus Jerusalem sich bei Martha und Maria eingefunden, um ihnen ihr Beileid zu dem Tode des Bruders zu bezeigen. 20 Als nun Martha hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, während Maria zu Hause saß. 21 "Herr", - sagte Martha zu Jesus - "wärest du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben; 22 doch auch so weiß ich, dass Gott dir jede Bitte gewähren wird." - 23 "Dein Bruder wird auferstehen!" - antwortete Jesus. 24 "Ich weiß", entgegnete Martha - "dass er auferstehen wird bei seiner Auferstehung am letzten Tage." 25 Jesus erwiderte ihr: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben,  wenn er auch gestorben ist; 26 und jeder, der das Leben besitzt und den Glauben bewahrt, wird niemals mehr sterben. Glaubst du das?" - 27 "Ja, Herr", - antwortete sie - "ich habe glauben gelernt, dass du der Messias bist - der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll." 28 Nach diesen Worten eilte sie fort und rief ihre Schwester Maria, indem sie ihr leise ins Ohr sagte: "Der Messias ist da und lässt dich rufen!" 29 Kaum hatte sie dies gehört, da sprang sie auf und ging eilends zu ihm. 30 Jesus war nämlich nicht ins Dorf gegangen, sondern wartete an der Stelle, wo Martha ihn getroffen hatte. 31 Als nun die Juden, die bei Maria im Hause waren und sie zu trösten suchten, sie so schnell aufstehen und wegeilen sahen, folgten sie ihr auf dem Fuße. Sie waren nämlich der Meinung, Maria wolle zum Grabe gehen und sich dort ausweinen. 32 Sobald nun Maria zu der Stelle kam, wo Jesus sie erwartete, und seiner ansichtig wurde, fiel sie ihm zu Füßen. "Herr", - sagte sie unter Tränen zu ihm - "wärest du hier gewesen, so hätte mein Bruder wohl nicht zu sterben brauchen." 33 Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden, die sie begleiteten, in Tränen ausbrachen, da wurde er plötzlich durch die Kraftwirkung eines Geistes Gottes so erschüttert, dass er erbebte. 34 Er fragte: "Wohin habt ihr ihn gelegt?" Sie antworteten: "Komm und sieh!" 35 Da weinte Jesus. 36 Die Juden sagten unter sich: "Seht, wie lieb er ihn gehabt hat!" 37 Einige machten jedoch die Bemerkung: "Hätte dieser, der doch dem Blinden das Augenlicht wiedergab, nicht auch machen können, dass Lazarus nicht zu sterben brauchte?" 38 Während Jesus sich dem Grabe näherte, kam wiederum die innere Erschütterung über ihn. Das Grab war in einen Felsen eingehauen, und ein Stein lag davor. 39 Da gab Jesus den Befehl, den Stein fortzunehmen. Martha, die Schwester des Toten, sagte zu ihm: "Herr, er wird wohl schon riechen; denn er ist bereits vier Tage tot." - 40 "Habe ich dir nicht gesagt", - entgegnete Jesus - "dass du die Herrlichkeit Gottes schauen sollst, wenn du gläubiges Vertrauen hast?" 41 Inzwischen hatten sie den Stein entfernt. Nun erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: "Vater! Ich danke dir, dass du mich erhörst hast. 42 Wohl wusste ich, dass du mich allezeit erhörst; aber mit Rücksicht auf die anwesende Volksmenge sprach ich diese Dankesworte, damit sie glauben sollen, dass du mich gesandt hast." 43 Nach diesen Worten rief er mit lauter Stimme: "Lazarus, komm heraus!" 44Sofort kam der Verstorbene heraus, an Händen und Füßen mit Binden umwickelt und sein Gesicht mit einem Schweißtuch verhüllt. "Macht  ihn los von diesen Hüllen", - gebot Jesus - "und lasst ihn sich frei bewegen!"

45 Viele von den Juden, die zu Maria gekommen und Augenzeugen dessen geworden waren, was Jesus vollbrachte, glaubten an ihn. 46 Einige von ihnen eilten jedoch sofort zu den Pharisäern und erzählten ihnen, was Jesus getan hatte. 47 Daraufhin beriefen die Oberpriester und Pharisäer eine Versammlung des Hohen Rates. "Was sollen wir dagegen tun, dass dieser Mensch so gewaltige Wunderzeichen wirkt? 48 Lassen wir ihn noch länger so gewahren, dann werden alle an ihn glauben; die Römer werden kommen und uns Land und Leute wegnehmen." 49 Einer von ihnen, Kaiphas, der in diesem Jahre Hoherpriester war, ergriff das Wort. "Ihr versteht überhaupt nichts von dieser Sache"; - sagte er zu ihnen - 50 "auch begreift ihr nicht, dass es viel besser für euch ist, wenn ein einziger für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zu Grunde geht." 51 (Das sagte er aber nicht aus sich selbst, sondern als Hohepriester jenes Jahres weissagte er unbewusst, dass Jesus für das Volk sterben würde; 52 und zwar nicht bloß für das Volk, sondern auch, um die überallhin zerstreuten Kinder Gottes zu einer großen Gemeinschaft wieder zu vereinigen.) 53 Von diesem Tage an beratschlagten sie untereinander, auf welche Weise sie ihn umbringen könnten. 54 Daher ließ Jesus sich nicht mehr öffentlich unter den Juden sehen, sondern zog sich von dort in die Gegend Samphuris in der Nähe der Wüste nach einer Stadt namens Ephraim zurück. Dort hielt er sich mit seinen Jüngern längere Zeit auf.

55 Zu dem bevorstehenden Osterfest der Juden machten sich viele vom Lande schon vor Beginn des Festes auf den Weg nach Jerusalem, um sich einer Weihe zu unterziehen. 56 Sie fragten auch nach Jesus, und er bildete bei der Volksmenge, die sich auf dem Tempelplatz anzusammeln pflegte, das Tagesgespräch. Einer fragte den andern: "Was ist deine Ansicht? Wird er wohl zum Feste kommen?" 57 Die Oberpriester und Pharisäer hatten nämlich bekannt machen lassen, dass jeder, der seinen Aufenthalt wisse, darüber Anzeige erstatten solle, damit man ihn festnehmen könne.

Kapitel 12

1 Sechs Tage vor dem Osterfest kam Jesus nach Bethanien, wo Lazarus wohnte, der tot gewesen war, den er aber von den Toten wieder auferweckte hatte. 2 Ihm zu Ehren gab man dort ein Festmahl, bei dem Martha die Gäste bediente. Von den Teilnehmern an dem Mahle war Lazarus der einzige, der mit ihm zusammen an demselben Tischchen lag. 3 Da nahm Maria ein Pfund echte, sehr teure Nardensalbe, goss sie über Jesus Füße und trocknete diese mit ihrem Haar ab. Das ganze Haus wurde von dem Duft der Salbe erfüllt. 4 Einer aus der Zahl seiner Jünger - es war Judas aus Kariot, derselbe, der ihn später verraten sollte - machte die Bemerkung: 5 "Warum hat man diese Salbe nicht für dreihundert Silberlinge verkauft und den Erlös den Armen gegeben?" 6 Das sagte er jedoch nicht aus Fürsorge für die Armen, sondern weil er ein Dieb war; er führte die Kasse und pflegte eingegangene Beträge zu unterschlagen. 7 "Lass sie in Ruhe!" - entgegnete Jesus; "sie soll diese Salbung an mir vollziehen für den Tag meiner Bestattung." 9 Bald war es allgemein bekannt, dass er dort war, und große Scharen der Juden eilten hin; aber nicht allein um Jesu willen, sondern auch um den Lazarus zu sehen, den er von den Toten auferweckt hatte. 10 Darum beschlossen die Oberpriester, auch den Lazarus umzubringen; 11 denn wegen ihm gingen viele Juden dorthin und kamen so zum Glauben an Jesus.

12 Am folgenden Tage hörten die Volksscharen, die zum Osterfest gekommen waren, dass Jesus auf dem Wege nach Jerusalem sei. 13 Da nahmen sie Palmzweige und zogen ihm entgegen, indem sie immer wieder riefen: "Hosanna! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn, - der König von Israel! 14 Jesus hatte ein Eselfüllen gefunden und sich darauf gesetzt, wie es in der Schrift geschrieben steht: 15"Fürchte dich nicht, Tochter Sion! Sieh, dein König kommt und reitet auf einem Eselfüllen!" 16 Diese Worte kamen denen, die um ihn waren, zunächst noch nicht in den Sinn. Erst als Jesus in seine Herrlichkeit eingegangen war, wurde es ihnen klar, dass jene Worte sich auf ihn bezogen und bei ihm sich auch erfüllt hatten. 17 Die große Menschenmenge, die als Augen- und Ohrenzeugen dabeigestanden hatte, als er Lazarus aus dem Grabe hervorrief und so von den Toten erweckte, trat überall als Zeuge dafür auf. 18 Und gerade deswegen zogen ihm jetzt so viele Menschen entgegen, weil sie erfahren hatten, dass er dieses Wunderzeichen gewirkt hatte. 19 Da sagten die Pharisäer unter sich: "Ihr seht ja, dass ihr nichts ausrichten könnt; schaut, die ganze Welt läuft ihm nach!"

20 Unter denen, die nach Jerusalem hinaufgingen, um am Osterfest ihre religiöse Pflicht zu erfüllen, befanden sich auch einige Griechen. 21Diese wandten sich an Philippus, weil er aus Bethsaida in Galiläa stammte, mit der  Bitte: "Herr, wir möchten Jesus gern sehen!" 22 Philippus ging zu Andreas und teilte es diesem mit. Beide gingen zusammen zu Jesus und trugen ihm das Anliegen vor. 23 Jesus gab ihnen zur Antwort: "Die Stunde ist da, wo der Menschensohn verherrlicht wird. 24 Glaubet mir, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde gelegt wird und stirbt, so bleibt es nur ein einziges Körnchen; stirbt es aber, dann entstehen viele Körner daraus. 25 Wer an das diesseitige Leben sein Herz hängt, der wird das jenseitige Leben verlieren; wem aber das Leben und Treiben in dieser Welt zuwider ist, der wird sich das jenseitige Leben als das wahre Leben für die Zukunft sichern. 26 Will jemand mein Diener sein, so muss er meinen Weg gehen; denn dort wo ich bin, da soll auch mein Diener sein. Wenn jemand mein Diener ist, so wird mein Vater ihn zu Ehren bringen. 27 In diesem Augenblick ist meine Seele tief erschüttert. Aber sollte ich deswegen etwa sagen: Vater, befreie mich aus dieser Leidensstunde? Nein; vielmehr, um zu leiden, bin ich ja gerade in diese Stunde hineingeführt worden. 28 Vater, verherrliche deinen Sohn mit der Herrlichkeit, die er bei dir hatte, ehe das Weltall ins Dasein trat!" 29 Da erscholl eine Stimme vom Himmel: "Ich hatte ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen!" Von der anwesenden Volksmenge, welche die Stimme gehört hatte, behaupteten die einen, es habe gedonnert; andere sagten: "Ein Engel hat mit ihm geredet!" - 30 "Nicht meinetwegen kam diese Stimme", - antwortete Jesus - "sondern euretwegen. 31 Jetzt fällt die Entscheidung über diese Welt; jetzt wird der Beherrscher dieser Welt seines Herrscherrechtes beraubt werden. 32 Und wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alles auf meine Seite ziehen." 33 (Mit diesen Worten wollt er andeuten, welche Todesart er erleiden würde.) 34 Aus der Menge hielt man ihm den Einwand entgegen: "Wir haben aus der Schrift gelernt, dass der Messias in alle Zukunft leben wird; wie kannst du also behaupten, der Menschensohn müsse zuerst erhöht werden? Wer ist denn dieser Menschensohn?" 35 Jesus gab ihnen zur Antwort: "Nur noch kurze Zeit ist das Licht unter euch. Leget euren Weg zurück, solange ihr es besitzet, damit nicht die Finsternis euch überrascht; denn wer im Finstern wandern muss, weiß nicht, wohin sein Weg führt! 36 Solange ihr das Licht besitzet, vertrauet auf das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet!" Nach diesen Worten entfernte er sich und hielt sich vor ihnen verborgen.

37 Trotz aller Wundertaten, die er vor ihren Augen wirkte, glaubten sie doch nicht an ihn. 38 An ihnen sollte sich das Wort des Propheten Isaja erfüllen: "Herr, wer hat unserer Botschaft Glauben geschenkt, und wem ist es klar geworden, dass der Arm des Herrn eingriff?" 39 Sie konnten aus dem Grunde nicht zum Glauben kommen, den Isaja an einer andern Stelle in den Worten aussprach: 40 "Er hat ihnen die Augen geblendet und die Herzen unempfänglich gemacht, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Herzen nicht zur Erkenntnis gelangen und sich nicht bekehren sollen, und ich sie nicht heilen könnte." 41Diese Worte sprach Isaja damals, als er die Herrlichkeit seines Gottes sah und über das Walten Gottes weissagte. 42 Gleichwohl glaubten auch viele von den Führern des Volkes an ihn; doch aus Furcht vor den Pharisäern wagten sie nicht, es offen zu bekennen, um nicht in den Bann getan zu werden. 43 Denn an der Ehre bei den Menschen lag ihnen mehr als an der Ehre bei Gott.

44 Jesus erklärte laut und feierlich: "Wer an mich glaubt, der glaubt in Wirklichkeit nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat; 45und wer mich sieht, sieht den, dessen Gesandter ich bin. 46 Als ein Licht bin ich in die Welt gekommen, damit keiner, der an mich glaubt, in der Finsternis zu bleiben braucht. 47 Sollte einer meine Worte bloß anhören, sie aber nicht befolgen, so fälle ich kein Strafurteil über ihn. Ich bin ja nicht gekommen, um die Welt zu verurteilen, sondern zu retten. 48 Wer mich von sich weist und meine Lehre nicht annehmen will, der hat sich damit sein Urteil selbst bestimmt. Die Lehre, die ich ihm vorgetragen, wird für ihm am letzten Tage sein Strafurteil enthalten. 49 Ich habe diese Lehre ja nicht aus mir verkündet; mein Vater, der mich sandte, ist es, der mich beauftragte, was ich lehren und in welche Worte ich die Lehre kleiden solle. 50 Ich weiß, dass sein Auftrag künftiges Leben vermitteln will. Was ich also rede, bringe ich in der Weise vor, wie es mein Vater mir aufgetragen."

 Kapitel 13

1 Es war am Vorabend des Osterfestes. Jesus wusste, dass jetzt die Stunde für ihn gekommen war, wo er die Welt verlassen und zum Vater gehen sollte. Die, welche er in der Welt die Seinen nannte, hatte er stets geliebt, und diese Liebe bewahrte er ihnen bis zum letzten Atemzuge. 2 Sie saßen beim Ostermahle. Bereits hatte der Teufel im Herzen des Judas, des Simon Sohn aus Kariot, den Entschluss reifen lassen, den Meister zu verraten. 3 Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte; er wusste, dass er von Gott gekommen und im Begriffe stand, wieder zu ihm zurückzukehren. 4 Trotzdem stand er vom Mahle auf, legte sein Oberkleid ab, nahm eine linnene Schürze und band sie sich um; 5 dann goss er Wasser in ein Waschbecken und begann seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit der umgebundenen Schürze abzutrocknen. 6 Als er nun zu Simon Petrus kam, wehrte dieser ab mit den Worten: "Herr, du willst mir die Füße waschen?" - 7 "Was ich tue, verstehst du jetzt nicht", - erwiderte Jesus - "nachher aber wirst du seine Bedeutung erkennen." 8 Doch Petrus antwortete: "Herr, nie und nimmer sollst du mir die Füße waschen!" - "Wenn ich dir die Füße nicht waschen darf", - entgegnete Jesus - "dann bist du aus meiner Gemeinschaft ausgeschlossen." 9 "Herr", - sagte da Petrus - "dann wasche mir nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!" - 10 "Wer sich gebadet hat", - gab ihm Jesus zur Antwort - "der braucht sich nicht mehr den Kopf zu waschen, sondern nur die Füße, um völlig rein zu sein. Auch ihr seid rein, doch nicht alle." 11 Er kannte nämlich seinen Verräter. 12 Als er die Fußwaschung beendet hatte, zog er sein Oberkleid wieder an und legte sich an seinen Platz. Dann sagte er zu ihnen: "Versteht ihr die Bedeutung dessen, was ich euch soeben getan habe? 13 Ich nennt mich 'Meister' und 'Herr'; und dies mit Recht; denn ich bin es. 14 Wenn ich nun als euer Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, um wie viel mehr müsst dann auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ein Beispiel wollte ich euch also geben, damit ihr ebenso handelt, wie ich euch gegenüber gehandelt habe. 16 Ich sage euch, ein Knecht ist nicht mehr als sein Herr, und ein Sendbote nicht mehr als der, welcher ihn gesandt hat. 17 Wenn ihr euch dessen bewusst bleibet und danach handelt, dann seid ihr glücklich zu preisen. 18 Leider kann ich das nicht von euch allen sagen. Ich kenne ja die Herzen derer, die ich mir ausgewählt habe. Aber bei der Auswahl musste auch der Erfüllung der Schriftstelle Rechnung getragen werden: 'Der mit mir das Brot isst, hat seine Verse wider mich erhoben.' 19Schon jetzt, noch ehe diese Schriftstelle in Erfüllung geht, mache ich euch darauf aufmerksam. Wenn es dann eintrifft, soll es für euch ein Beweis mehr sein, durch den euer Glaube an mich befestigt wird. 20 Ich sage euch: Wer den aufnimmt, den ich sende, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat." 21 Nach diesen Worten wurde seine Seele von tiefstem Schmerz ergriffen, als er sich mit der Beteuerung an sie wandte: "Ich muss euch sagen: Einer von euch wird mich verraten!" 22 Da sahen sich die Jünger einander an und konnten sich gar nicht denken, von wem er spreche. 23 Nun lag einer der Jünger dicht an der Seite Jesu, Es war der, den Jesus besonders lieb hatte. 24 Diesem gab Petrus einen Wink, er möchte doch zu erfahren suchen, wer derjenige sei, von dem er spreche. 25 Da neigte sich dieser zur Brust Jesu und fragte ihn leise: "Herr, wer ist's?" 26 Jesus flüsterte ihm die Worte zu: "Der ist's, dem ich den Bissen reichen werde, den ich jetzt in die Schüssel tauche," Dann tauchte er den Bissen ein und reichte ihn dem Judas, dem Sohne Simons aus Kariot. 27 Als dieser den Bissen gegessen hatte, fuhr der Satan in ihn. Da sagte Jesus zu ihm: "Was du tun willst, das tue bald!" 28 Keiner von den Anwesenden wusste, weshalb er dies zu ihm sagte. 29 Verschiedene meinten, weil Judas die Kasse führte, wolle Jesus ihm sagen: Kaufe das noch schnell ein, was wir für das Fest nötig haben; andere fassten es so auf, als ob er den Armen etwas geben solle. 30 Als jener nun den Bissen verzehrt hatte, verließ er sofort den Saal und trat in die dunkle Nacht hinaus.

31 Als er fort war, sagte Jesus: "Jetzt wurde der Menschensohn verherrlicht und in ihm Gott selbst. 32 Aber auch Gott wird ihn von sich aus verherrlichen und zwar wird diese Verherrlichung sogleich erfolgen. 33 Meine Kinder, nur noch eine kleine Weile bin ich bei euch. Dann werdet ihr mich suchen; aber was ich den Juden schon gesagt habe, das sage ich jetzt auch euch, nämlich: 'Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen.' 34 Ein neues Gebot gebe ich euch: 'Ihr sollt einander lieben! Und zwar sollt ihr einander so lieben, wie ich euch lieb habe.' 35 Daran soll jeder euch als meine Jünger erkennen können, dass ihr einander liebet!"

36 Da fragte ihn Simon Petrus: "Herr, wohin gehst du denn?" Jesus antwortete ihm: "Wohin ich gehe, dahin kannst du jetzt nicht mit mir gehen. Erst später wirst du mir folgen." - 37 "Herr", - fragte Petrus -"warum soll ich jetzt nicht mit dir gehen können? Ich bin doch bereit, mein Leben für dich hinzugeben." - 38 "Wie? Dein Leben willst du für mich hingeben?" - erwiderte Jesus. "Ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bevor du mich dreimal verleugnet hast!"

Kapitel 14

1 Dann wandte er sich wiederum an alle Jünger und fuhr fort: "Werdet nicht mutlos! Habet Gottvertrauen, dann werdet ihr auch Vertrauen zu mir haben! 2 Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben. Weil ich nun hingehe, werde ich für euch eine Stätte herrichten lassen; 3 und wenn ich dort bin und einen Platz für euch bereitgestellt habe, dann kehre ich zurück und nehme euch zu mir, damit auch ihr seid, wo ich bin. 4 Wohin ich gehe, wisst ihr ja, und auch den Weg dahin kennt ihr." 5 Da sagte Thomas mit dem Beinamen der 'Zwilling' zu ihm: "Herr, wir wissen ja gar nicht, wohin du gehst; wie sollten wir da den Weg dahin kennen?" - 6 "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", entgegnete Jesus. "Niemand kommt zum Vater, außer durch mich. 7 Würdet ihr mich wirklich kennen, so würdet ihr auch meinen Vater kennen. Von jetzt ab kennt ihr ihn und habt ihn gesehen." 8 "Herr, so zeige uns doch den Vater!" - sagte Philippus zu ihm; "dann sind wir zufrieden." 9 Jesus gab ihm zur Antwort: "Eine so lange Zeit bin ich schon mit euch zusammen, und du kennst mich immer noch nicht, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: 'Zeige uns den Vater'? 10 Glaubst du denn nicht, dass ich in der Gemeinschaft mit dem Vater bin und der Vater mit mir? Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, redete ich ja nicht von mir aus; der Vater, der in ständiger Verbindung mit mir ist, - er vollbringt die Werke. 11 Ja, glaubet es nur, dass eine innige Gemeinschaft zwischen mir und dem Vater und dem Vater und mir besteht. Wenn ihr meinen Worten nicht glauben wollt, dann glaubt wenigstens um der Werke selbst willen. 12 Ich versichere euch: Wer an mich glaubt, wird dieselben Werke verrichten können; die ich verrichte; ja, er wird noch größere vollbringen; denn ich gehe zum Vater. 13 Und was ihr in meinem Namen erbittet, das werde ich gewähren, damit der Vater im Sohne geehrt werde. 15 Wenn ihr mich liebt, so haltet auch meine Gebote! 16 Dann werde ich den Vater bitten, und er wird euch einen andern Helfer geben; der soll für die Zukunft mit euch zusammen sein. 17 Dieser Helfer ist die Geisterwelt der Wahrheit. Die Welt kann sie nicht empfangen, weil sie die Geisterwelt nicht sieht und nicht kennt. Ihr werdet sie kennen lernen; denn bei euch wird sie bleiben und zu eurer Gemeinschaft gehören. 18 Ich lasse euch nicht verwaist zurück, sondern komme wieder zu euch. 19 Nur noch eine kleine Weile, und die Welt sieht mich nicht mehr. Ihr aber seht mich; denn ich lebe, und auch ihr werdet das Leben erlangen. 20 An jenem Tage wird es euch klar werden, dass ich in inniger Gemeinschaft mit dem Vater lebe, und dass ihr in derselben Gemeinschaft mit mir steht und ich mit euch. 21 Wer meine Gebote kennt und danach handelt, der ist es, der mich liebt. Und wer mich liebt, der wird auch von meinem Vater geliebt werden. Auch ich werde ihm meine Liebe beweisen und mich ihm so kundtun, dass er meine Gegenwart wahrnehmen kann." 22 Da fragte ihn Judas - (nicht der aus Kariot): "Herr, aus welchem Grunde willst du dich bloß uns kundtun und nicht der Welt?" 23 Jesus erwiderte: "Wenn einer mich liebt, wird er auch nach meiner Lehre handeln, und mein Vater wird ihm seine Liebe beweisen. Ich selbst werde zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. 24 Wer mich nicht liebt, der hält auch nicht an meiner Lehre fest. Zwar ist die Lehre, die ihr von mir hört, nicht meine Lehre, sondern die Lehre des Vaters, der mich gesandt hat. 25 Das musste ich euch noch sagen, solange ich noch bei euch bin. 26 Nachher kommt der Helfer, die heilige Geisterwelt, die der Vater in meinem Namen senden wird. Sie wird euch über alles Weitere belehren und euch auch alles das ins Gedächtnis zurückrufen, was ich euch gesagt habe. 27 Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht was die Welt unter Frieden versteht, gebe ich euch. Seid nicht mutlos und verzagt! 28Ihr höret ja, dass ich euch sagte: Ich gehe fort, komme aber wieder  zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe. Denn der Vater ist größer als ich. 29 Nun habe ich es euch gesagt, bevor es eintrifft, damit ihr fest im Glauben bleiben sollt, sobald es sich erfüllt. 30 Viel kann ich nicht mehr mit euch reden; denn der Herrscher dieser Welt ist bereits zum Anzug. Bei mir kann er freilich nichts finden, was ihm gehört. 31 Nur deswegen werde ich ihm preisgegeben, damit die Welt erkennt, dass ich den Vater liebe und alles so ausführe, wie der Vater es mir auftrug."

 Kapitel 15

1 "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, entfernt er; jede fruchtbare Rebe aber reinigt er, damit sie noch mehr und bessere Frucht trage. 3Ihr seid bereits gereinigt infolge der Lehre, die ich euch verkündete. 4Bleibet also in mir, so bleibe ich in euch. Wie die Rebe nicht aus sich allein, also getrennt von dem Weinstock, Frucht bringen kann, so  könnt auch ihr es nicht, wenn ihr nicht mit mir vereint bleibt. 5 Denn ich gleiche dem Weinstock und ihr den Reben. Wenn einer mit mir vereint bleibt und ich mit ihm, dann wird er reichlich Frucht bringen. Denn von mir getrennt, könnt ihr nichts tun. 6 Wer sich von mir trennt, wird fortgeworfen, wie man eine abgerissene Rebe fortwirft, und verdorrt. Die verdorrten Reben pflegt man zu sammeln und ins Feuer zu werfen, wo sie brennen. 7 Wenn ihr mit mir vereint bleibt und an meiner Lehre festhaltet, so möget ihr bitten, um was ihr wollt, es wird euch gewährt werden. 8 Dadurch würde mein Vater verherrlicht, wenn ihr reichlich Frucht brächtet und euch als meine wahren Jünger bewieset. 9 Wie mich der Vater liebte, so liebte ich euch. Bewahret mir eure Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in der Liebe zu mir verharren, so wie ich, der ich die Gebote meines Vaters befolge, in der Liebe zu ihm verharre. 11 Das habe ich euch deshalb gesagt, damit ich meine Freude an euch hätte, und eure eigene Freude dadurch vollständig würde. 12 Das ist mein Gebot, dass ihr einander so lieben sollt, wie ich euch liebte. 13 Die größte Liebe hat der, welcher sein Leben für seine Freunde hingibt. 14 Ihr gehört ja dann zu meinen Freunden, wenn ihr tut, was ich euch aufgetragen habe. 15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte. Denn der Knecht wird über das in Unwissenheit gelassen, was sein Herr tut. Ich habe euch deshalb meine Freunde genannt, weil ich euch alles mitteilte, was ich von meinem Vater gehört habe. 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, hinzugehen und Frucht zu bringen, und zwar eine bleibende Frucht, damit der Vater auch euch alles das gewähren kann, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. 17 Vor allem das eine möchte ich euch dringend ans Herz legen: Liebet einander! - 18 Wenn die Welt euch hasst, so sollt ihr daran denken, dass sie mich zuerst gehasst hat. 19 Wenn ihr zur Welt gehörtet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieb haben. Da ihr aber nicht zur Welt gehört, sondern ich euch aus der Welt ausgelesen habe, darum hasset euch die Welt. 20 Erinnert euch der Worte, die ich zu euch sprach: 'Der Knecht ist nicht mehr als sein Herr.' Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Haben sie mein Wort nicht befolgt, so werden sie auch das eurige nicht befolgen. 21 Nur wegen mir werden sie euch gegenüber ein solches Verhalten an den Tag legen. Sie kennen den ja nicht, der mich gesandt hat. 22 Wäre ich nicht zu ihnen gekommen und hätte ihnen nicht gepredigt, dann würden sie sich keiner Sünde schuldig gemacht haben. So aber können sie keine Entschuldigung für die von ihnen begangene Sünde vorbringen. 23 Denn wer  mich hasst, der hasst auch meinen Vater. 24 Wenn ich nicht Werke unter ihnen getan hätte, wie sie bisher noch keiner vollbringen konnte, so würden sie sich nicht versündigt haben. Nun aber sahen sie das alles mit eigenen Augen, und trotzdem hassten sie sowohl mich als auch meinen Vater. 25 Aber es musste ja das Wort erfüllt werden, das in ihrem Gesetze steht. Es lautet: 'Sie haben mich ohne Grund gehasst.' 26 Wenn aber die Helferin kommt, die ich euch vom Vater her senden werde, die Geisterwelt der Wahrheit, die aus dem Reich des Vaters kommt, die wird Zeugnis für mich ablegen. 27 Aber auch ihr seid Zeugen für mich, weil ihr von Anfang an mit mir zusammen wart."

Kapitel 16

1 "Ich teilte euch dies alles mit, damit ihr in eurer Überzeugung nicht wankend werdet. 2 Denn man wird euch in den Bann tun. Ja, es kommt die Zeit, wo jeder, der euch tötet, Gott damit einen Dienst zu erweisen glaubt. 3 Sie werden euch deswegen so behandeln, weil sie weder den Vater noch mich kennen. 4 Doch ich habe es euch vorhergesagt, damit ihr euch meiner Worte erinnern sollt, sobald jene Stunde da ist. Bisher habe ich darüber geschwiegen; denn ich war ja noch selbst bei euch. 5 Jetzt aber musste ich es euch sagen,  weil ich zu dem gehe, der mich gesandt hat. Und keiner von euch fragt mich: 'Wohin gehst du?' - 6sondern euer Herz ist übervoll von Traurigkeit, weil ich euch diese Mitteilung machte. 7 Aber wirklich, - es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Helfer nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingegangen bin, werde ich ihn zu euch senden. 8 Sobald er kommt, wird er der Welt die Augen öffnen über Sünde, Rechttun und Gottes Gericht: 9 Über 'Sünde', die deshalb auf ihnen lastet, weil sie nicht an mich glauben; 10 über 'Rechttun' weil ich als Vorbild des Rechttuns zum Vater gehe, und ihr mich nicht länger se-het; 11 über 'Gottes Gericht', das dann schon über den Herrscher dieser Welt ergangen sein wird. - 12 Ich hätte euch noch vieles zu sagen; doch ihr könnt es jetzt nicht tragen. 13 Sobald aber jene Geisterwelt der Wahrheit gekommen ist, - die wird euch in jeder Wahrheitsfrage den rechten Weg zeigen. Sie wird nicht von sich selbst reden, sondern nur das, was sie selbst erfährt, wird sie aussprechen und euch das verkünden, was euch dienlich ist. 14 Sie wird für meine Ehre eintreten; denn von dem Meinigen wird sie nehmen und es euch mitteilen. 15 Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Darum sagte ich, dass sie es von dem Meinen nehmen und es euch verkünden wird. - 16 Nur noch eine kleine Weile, und ihr sehet mich nicht mehr; und ein wenig später werdet ihr mich wiedersehen." 17 Da sagten einige von seinen Jüngern zu einander: "Was meint er eigentlich mit den Worten: 'Nur noch eine kleine Weile, und ihr sehet mich nicht mehr und ein wenig später werdet ihr mich wieder sehen'? 18 Was meint er ferner mit den Worten: 'Ich gehe zum Vater'? was will er nur damit sagen: 'Noch eine kleine Weile'? Wir verstehen diese Worte nicht." 19 Jesus merkte, dass sie ihn fragen wollten und sagte daher zu ihnen: "Ihr sucht voneinander zu erfahren, was meine Worte 'Nur noch eine kleine Weile und ihr sehet mich nicht mehr, und ein wenig später werdet ihr mich wiedersehen' zu bedeuten hätten. 20 Dazu möchte ich nur folgendes sagen: 'Ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden. - 21 Wenn eine Frau gebären soll, bekommt sie Angst, sobald der Tag ihrer Niederkunft da ist. Hat sie jedoch das Kind geboren, so denkt sie nicht mehr an die ausgestandenen Schmerzen vor lauter Freude, dass sie einem Kinde das Leben schenkte. 22 So seid auch ihr jetzt voll Trauer; wenn ich euch aber später wiedersehen werde, dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude wird euch niemand mehr rauben können. 23 An jenem Freudentage werdet ihr keinerlei Bitte an mich richten. Denn seid überzeugt: Wenn ihr als meine Jünger den Vater um etwas bitten werdet, so wird er es euch gewähren. 24 Bisher habt ihr ihn noch nie um etwas gebeten, indem ihr in eurem Gebet darauf hinwieset, dass ihr meine Jünger seid. Bittet doch in dieser Weise, und ihr werdet das Erbetene empfangen, damit eure Freude eine vollständige wird."

25 "Bisher habe ich in Sinnbildern zu euch gesprochen. Es kommt jedoch die Stunde, wo ich nicht mehr in Sinnbildern zu euch reden, sondern mit klaren Worten euch über den Vater belehren werde. 26 Dann werdet ihr ihn als meine Jünger bitten, und ich brauche dem Vater für euch keine Bitte mehr vorzutragen. 27. Denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich liebtet und an der Überzeugung festhieltet, dass ich vom Vater  her herabgekommen bin. 28 Ich kam in die Welt; nun verlasse ich wieder die Welt und gehe zurück zum Vater."

29 Da sagten die Jünger: "Siehe, jetzt sprichst du mit klaren Worten und bedienst dich keines Gleichnisses. 30 Jetzt wissen wir, warum du alles weißt, und warum es nicht einmal nötig ist, dass man eine Frage an dich stellt. Infolgedessen glauben wir, dass du von Gott herkamst." 31Jesus gab ihnen zur Antwort: 32 "Jetzt glaubt ihr? Aber es kommt eine Stunde, und sie ist schon sehr nahe, wo ihr alle auseinandergetrieben werdet, indem ein jeder von euch nur an das eigene Wohl denkt, und ihr mich ganz allein lasset. 33 Doch ich bin nicht allein; denn der Vater ist bei mir. Das habe ich euch mitgeteilt, damit ihr den Frieden nur in der Gemeinschaft mit mir zu erlangen trachtet. In der Welt werdet ihr zwar äußere Bedrängnis zu erdulden haben; aber nur Mut! Ich habe die Welt besiegt."

Kapitel 17

1 Zum Schluss richtete Jesus seine Blicke zum Himmel und betete: "Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrlichen kann! 2 Du hast ihm ja die Macht über die ganze Schöpfung gegeben, damit alles, was du seiner Hand anvertrautest, zukünftiges Leben erlange. 3 Das ist der Weg zum künftigen Leben, dass sie dich als den allein wahren Gott anerkennen und Jesus als den Messias, den du in diese Welt sandtest. 4 Ich bin hier auf Erden für deine Ehre eingetreten und habe das Werk vollendet, dessen Ausführung du mir aufgetragen hast. 5 Und nun, Vater, gib mir die Herrlichkeit wieder, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. 6 Deinen Namen offenbarte ich diesen Männern, die du mir aus der Welt zuteiltest. Dir gehörten sie, und mir gabst du sie. Sie haben dein Wort befolgt. 7 Jetzt wissen sie, dass alles, was du mir verliehen hast, von dir stammt. 8 Denn was du mir an Lehren mitteiltest, das gab ich an sie weiter. Sie haben diese Lehren auch angenommen und in Wahrheit erkannt, dass ich von dir kam; sie haben die Überzeugung gewonnen, dass du es bist, der mich gesandt hat. 9 Ich bitte nun für sie. Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. 10 Was mein ist, gehört ja alles dir und das Deinige mir, und du hast mich in ihnen  verherrlicht. 11 Ich bin nicht mehr lange in der Welt. Aber diese müssen noch in der Welt bleiben, während ich zu dir komme. Wenn ich auch nicht als Mensch länger in der Welt bleibe, so bleibe ich doch auf andere Weise in der Welt. - Heiliger Vater, erhalte die, welche du mir gegeben hast, in deiner Lehre, damit sie eins sind, so wie wir es sind. 12 Solange ich in ihrer Mitte weilte, hielt ich die, welche du mir gabest, treu an deiner Lehre und wachte über sie. Keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens; und dies geschah, damit die Schrift erfüllt würde. Jetzt aber komme ich zu dir; 13 und diese Worte spreche ich nur deshalb noch in der Welt aus, damit die Freude, die ich besitze, auch in ihnen in ganzer Fülle sich fühlbar mache. 14 Deine Wahrheit habe ich in ihr Herz gelegt. Weil sie nicht aus der Welt stammen, hat die Welt sie gehasst. 15 Ich bitte nicht darum, dass du sie aus der Welt wegnehmen sollst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahren mögest; 16 denn sie gehören ebenso wenig der Welt an, wie ich der Welt angehöre. 17 Heilige sie durch die Wahrheit! Dein Wort ist Wahr-heit. 18 Wie du mich in die Welt sandtest, so habe ich auch sie in die Welt gesandt. 19 Für sie heilige ich mich, damit auch sie durch Befolgung der Wahrheit geheiligt sind. - 20 Ich bitte aber nicht nur für diese, sondern auch für die, welche durch ihre Predigt zum Glauben an mich kommen werden. 21 Gib, dass auch sie alle eine Einheit bilden, so wie du, Vater, mit mir vereint bist und ich mit dir, damit auch sie mit uns in dieselbe Gemeinschaft treten, auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast. 22 Ich habe die Herrlichkeit, die du mir gabst, auch ihnen verliehen, damit sie dieselbe Einheit bilden, die zwischen uns beiden besteht: 23 ich mit ihnen vereint und du mit mir, so dass sie die höchste Vollendung der Einheit erlangen; dadurch soll die Welt erkennen, dass du mich gesandt hast, und ich sie so liebte, wie du mich liebtest. 24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gabst, damit sie die Herrlichkeit sehen, die du mir verliehen. Denn schon vor Grundlegung der Welt liebtest du mich. 25 Gerechter Vater, die Welt kannte dich nicht, ich aber kannte dich, und auch diese haben eingesehen, dass du mich gesandt hast. 26 Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn auch fernerhin kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebtest, in ihnen bleibe und ich in ihrer Mitte. - Stehet auf! Wir wollen jetzt gehen!"

Kapitel 18

1 Nach diesen Worten verließ Jesus mit seinen Jüngern den Saal und ging über den Bach Kidron. Dort befand sich ein Garten, in den er und seine Jünger eintraten. 2 Auch Judas, der ihn verraten wollte, war diese Stelle bekannt, weil Jesus mit seinen Jüngern dort oft zusammen war. 3Judas hatte die Schutzmannschaft und die Knechte der Oberpriester und Pharisäer zur Verfügung gestellt  bekommen und machte sich mit ihnen dorthin auf den Weg. Alle trugen Fackeln, Laternen und Waffen. 4 Da Jesus sein ganzes Schicksal vorauswusste, trat er vor sie hin und fragte sie: "Wen suchet ihr?" - 5 "Jesus von Nazareth!" - entgegneten sie. "Der bin ich!" - war seine Antwort. Auch Judas, der Verräter, stand mitten unter ihnen. 6 Als nun Jesus zu ihnen sagte: "Der bin ich", wichen sie zurück und fielen zu Boden. 7 Da wiederholte er die Frage "Wen suchet ihr?" Sie antworteten: "Jesus von Nazareth!" - 8 "Ich habe es euch schon gesagt, dass ich es bin", - erwiderte Jesus. "Wenn ihr also mich suchet, so lasst diese hier in Ruhe sich entfernen!" 9 So sollte sich sein Ausspruch bewahrheiten, den er kurz bevor getan hatte, als er sagte: "Ich ließ keinen von denen, die du mir gabst, verloren gehen." 10 Da zog Simon Petrus das Schwert, das er bei sich trug, und schlug damit nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Der Knecht hieß Malchus. 11 Da wandte sich Jesus an Petrus mit den Worten: "Stecke dein Schwert in die Scheide! Oder soll ich etwa nicht den Kelch trinken, den mein Vater mir gereicht hat?"

12 Nun nahm die Schutzmannschaft, die unter dem Befehl eines Oberst stand, sowie die Knechte der jüdischen Führer Jesus gefangen und fesselten ihn. 13 Zuerst führten sie ihn zu Hannas; dieser war der Schwiegervater des Kaiphas, der in diesem Jahre Hoherpriester war. 14 Kaiphas war derselbe, der den Juden den Rat gegeben hatte, es sei besser, wenn nur einer sterbe, als dass das ganze Volk zu Grunde gehe. 15Simon Petrus und ein anderer Jünger gingen hinter Jesus her. Dieser andere Jünger  war mit dem Hohenpriester bekannt und ging daher mit Jesus in den hohenpriesterlichen Palast, 16 während Petrus draußen vor der Türe stehen blieb. Da ging der andere Jünger, der mit dem Hohenpriester bekannt war, hinaus und redete mit der Türhüterin, und diese ließ den Petrus herein. 17 Nun wandte sich diese Türhüterin mit der Frage an Petrus: "Gehörst du nicht auch zu den Jüngern dieses Menschen?" "Nein!" - erwiderte Petrus. 18 Die Knechte und Diener hatten sich wegen der Kälte ein Kohlenfeuer angezündet und standen um das Feuer herum und wärmten sich. Auch Petrus stellte sich zu ihnen, um sich zu wärmen.

19 Der Hohepriester fragte Jesus inzwischen über seine Jünger und seine Lehre aus. 20 Jesus gab ihm zur Antwort: "Ich predigte in der Öffentlichkeit, so dass alle Welt mich hören konnte. Ich lehrte beständig in den Synagogen und im Tempel, wo alle Juden sich zu versammeln pflegen. Im Geheimen trug ich keinerlei Lehre vor. 21 Warum fragst du mich also? Frage doch die, welche meine Reden mitangehört haben. Die müssen doch wissen, was ich gesprochen." 22 Bei diesen Worten gab einer von den anwesenden Dienern Jesus einen Schlag ins Gesicht. "Antwortest du so dem Hohenpriester?" - rief er aus. 23 Jesus entgegnete: "Wenn ich in ungehöriger Weise gesprochen habe, dann bringe mir den Beweis, worin diese Ungehörigkeit bestehen soll; habe ich aber so gesprochen, wie es sich gehört, - warum schlägst du mich?"

 24 Darauf schickte ihn Hannas gefesselt zu dem Hohenpriester Kaiphas.

25 Simon Petrus stand unterdessen am Feuer und wärmte sich. Da fragten ihn die Umstehenden: "Bist du nicht auch einer von seinen Jüngern?" Petrus leugnete mit den Worten: "Ich bin kein Jünger von ihm!" 26 Nun redete ihn einer von den Knechten des Hohenpriesters an, der ein Verwandter des Knechtes war, dem Petrus das Ohr abge-hauen hatte. "Habe ich dich nicht in dem Garten bei ihm gesehen? - sagte er zu ihm. 27 Da leugnete Petrus nochmals. Und gleich darauf krähte ein Hahn.

28 Aus dem Palast des Kaiphas führte man Jesus nach der Statthalterei. Es war früh am Morgen. Die Juden selbst gingen nicht in die Statthalterei hinein, um nicht 'unrein' zu werden; sie wollten ja das Osterlamm essen. 29 Darum kam Pilatus zu ihnen hinaus und fragte sie: 30 "Welche Anklage habt ihr gegen diesen Mann vorzubringen?" Sie gaben ihm zur Antwort: "Wäre dieser Mensch nicht ein Verbrecher, so hätten wir ihn nicht zu  dir gebracht." - 31 "Nehmt ihr ihn doch", - entgegnete Pilatus - "und richtet ihn nach eurem Gesetz!" - "Es ist uns nicht gestattet, über jemand die Todesstrafe auszusprechen und ihn hinzurichten", - riefen sie ihm zu. 32 So sollte sich das Wort Jesu erfüllen, durch das er angedeutet hatte, welchen Todes er sterben würde. 33 Dann ging Pilatus wieder in die Statthalterei hinein, ließ Jesus rufen und stellte die Frage an ihn: "Bist du der König der Juden?" 34 Jesus antwortete ihm: "Fragst du so aus dir selbst oder haben andere dir von mir erzählt?" - 35 "Ich bin doch kein Jude", - entgegnete Pilatus; "dein eigenes Volk und zwar die Oberpriester haben  dich an mich ausgeliefert. Was hast du dir zu Schulden kommen lassen?" - 36 "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - erwiderte Jesus - "wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Untertanen für mich gekämpft, und ich wäre den Juden nicht ausgeliefert worden. Nun aber ist mein Reich kein irdisches." 37 "Dann bist du doch ein König?" - fragte Pilatus. - "Ja, ich bin ein König", -antwortete Jesus; "ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Jeder, der aus dem Reich der Wahrheit ist hört auf meine Stimme." - 38 "Was ist Wahrheit?" - entgegnete Pilatus.

Nach diesen Worten ging er wieder zu den Juden hinaus und erklärte ihnen: "Ich finde keinerlei Schuld an ihm!" 39 Nun habe ich bei euch die Sitte eingeführt, euch zum Osterfest einen Gefangenen freizugeben. Wenn ihr es wünscht, so werde ich euch den König der Juden freilassen." Da schrieen alle: "Nein, nicht den, - sondern den Barabbas!" Dieser war ein Straßenräuber.

Kapitel 19

1 Pilatus fasste nun Jesus an und gab ihm Geißelhiebe. 2 Die Soldaten nahmen ihn dann und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt; sie legten ihm einen Purpurmantel um die Schultern; 3dann traten sie vor ihn hin und riefen: "Heil dem König der Juden -  Heil!" Dabei versetzten sie ihm Schläge ins Gesicht. 4 Pilatus trat dann wieder zu ihnen hinaus und richtete diese Worte an sie: "Seht, ich lasse ihn euch noch einmal vorführen zum Zeichen, dass ich ihn nicht schuldig finde." 5 Jesus trat nun heraus - er trug die Dornenkrone und den Purpurmantel. Pilatus rief ihnen zu: "Seht, da ist der Mann!" 6 Kaum hatten die Oberpriester und deren Anhang ihn erblickt, als sie den Schrei ausstießen: "Ans Kreuz - ans Kreuz!" - "Dann möget ihr ihn nehmen und kreuzigen" - entgegnete Pilatus - "ich nicht; denn ich finde ihn nicht schuldig." - 7 "Aber wir haben ein Gesetz", - riefen ihm die Juden entgegen - "und nach unserm Gesetz muss er sterben; denn er hat sich selbst für Gottes Sohn ausgegeben." 8 Als Pilatus das Wort 'Gottes Sohn' hörte, da wurde seine Herzensangst noch größer. 9 Er ging in die Statthalterei zurück; 10 dort stellte er an Jesus die Frage: "Woher kommst du eigentlich?" Jesus gab ihm jedoch keine Antwort. "Wie? Mir willst du nicht Rede und Antwort stehen?" rief Pilatus aus; "Weißt du nicht, dass ich die Macht habe, dich kreuzigen zu lassen und auch die Macht, dich frei zu geben?" - 11 "Du hättest keinerlei Macht über mich", - gab ihm Jesus zur Antwort - "wenn sie dir nicht von oben her verliehen worden wäre. Weil du diese Macht hast, darum trifft den eine größere Schuld, der mich an dich ausgeliefert hat." 12 Unter dem Eindruck dieser Worte gab sich Pilatus alle Mühe, ihn frei zu schaffen. Aber die jüdischen Führer schrieen ihm die Drohung zu: "Gibst du diesen Menschen frei, so bist du kein Freund des Kaisers mehr! Denn jeder, der sich für einen König ausgibt, macht sich der Auflehnung gegen den Kaiser schuldig." 13 Auf diese drohenden Worte hin, ließ Pilatus endlich Jesus hinausführen. Er selbst setzte sich auf den Richterstuhl, der an der Stelle stand, die man 'Marmorpflaster' - auf Hebräisch, 'Gabbatha' - nannte. 14 Eben brach der Rüsttag für das Osterfest an; es war ungefähr zwölf Uhr mittags. "Da habt ihr euren König!" - rief ihnen Pilatus zu. 15 Jene aber erwiderten ihm mit dem Geschrei: "Hinweg mit ihm! Hinweg mit ihm! Schlag ihn ans Kreuz!" - "Also euren König soll ich kreuzigen?" - entgegnete ihnen Pilatus. Die Oberpriester aber riefen: "Wir haben keinen König; nur den Kaiser erkennen wir an." - 16 Darauf lieferte er ihnen Jesus zur Kreuzigung aus.

Diese nahmen nun Jesus in Empfang und führten ihn an eine Stelle, wo sie ihm das Kreuz auf die Schultern legten. 25 Dabei standen Jesu Mutter, sowie die Schwester seiner Mutter, Maria mit Namen, welche die Frau des Kleopas war, und Maria von Magdala. 26 Als nun Jesus seine Mutter und neben ihr den Jünger, den er lieb hatte, stehen sah, sagte er zu seiner Mutter: "Weib, das ist jetzt dein Sohn!" 27 Dann wandte er sich zu dem Jünger mit den Worten: "Sohn, das ist jetzt deine Mutter!" Und der Jünger nahm sie aus dieser schrecklichen Stunde heraus, mit sich in seine Wohnung.

17 Jesus trug sein Kreuz und gelangte zu der sogenannten Schädelstätte, die auf Hebräisch 'Golgotha' heißt. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, den einen zu seiner Rechten, den andern zu seiner Linken. 19 Auch eine Inschrift hatte Pilatus anfertigen und oben am Kreuze anbringen lassen. Sie lautete: "Jesus von Nazareth, der König der Juden." 20 Viele Juden lasen diese Inschrift. Der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, lag nämlich nahe bei der Stadt. Die Inschrift war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefasst. 21Da sagten die jüdischen  Oberpriester zu Pilatus: Schreibe doch nicht "Der König der Juden", - sondern: "Dieser Mensch hat behauptet, er sei der König der Juden." 22 Pilatus aber gab ihnen die kurze Antwort: "Was ich geschrieben habe, bleibt geschrieben!"

23 Nach der Kreuzigung Jesu nahmen die Soldaten seine Kleider und machten vier Lose daraus, für jeden Soldaten ein Los. Außerdem hatten sie noch das Unterkleid zur Verteilung. Dies war ohne Naht, von oben an in einem Stück gewebt. 24 Da sagten die Soldaten zu einander: "Wir wollen es nicht zerschneiden, sondern durch das Los entscheiden lassen, wem es gehören soll." So erfüllte sich das Wort der Schrift: "Sie haben meine Kleider unter sich verteilt und über mein Gewand das Los geworfen."

28 Jesus wusste, dass nunmehr soweit alles in Erfüllung gegangen war, was über ihn geschrieben stand. Damit nun auch noch das Letzte sich erfüllte, rief er aus: "Mich dürstet!" 29 Man füllte ein Gefäß mit Essig, tauchte einen Schwamm, hinein, befestigte ihn an einem Hysopstengel und brachte ihn dicht an seinen Mund. 30 Als Jesus den Essig genommen hatte, rief er aus: "Es ist vollbracht!" Dann neigte er sein Haupt und gab seinen Geist auf.

31 Es war Rüsttag, und die Leichen durften nicht während des Sabbats am Kreuze bleiben. Denn dieser Sabbat war ein besonders hoher Festtag. Darum baten die Juden den Pilatus um die Erlaubnis den am Kreuze Hängenden die Beine mit Keulen zu zerschlagen und sie dann vom Kreuze abnehmen zu dürfen. 32 So kamen denn die Soldaten und zerschlugen zuerst dem einen der beiden, die mit Jesus gekreuzigt worden waren, die Beine, dann dem andern. 33 Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er bereits tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, 34 sondern einer der Soldaten stieß ihm mit einer Lanze in die Seite. Da floss sogleich Blut und Wasser heraus. 35 Ein Augenzeuge hat dies bezeugt, und sein Zeugnis entspricht der Wahrheit. Er weiß daher, dass er wahrheitsgetreu berichtet, so dass ihr es ebenfalls glauben könnt. 36Denn auch dies musste geschehen, damit das Wort der  Schrift erfüllt würde: 37 "Es soll ihm kein Bein gebrochen werden!" - sowie das andere Wort der Schrift: "Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben!"

38 Joseph von Arimathea war ein Jünger Jesu; allerdings nur im Geheimen, weil er sich vor den jüdischen Führern fürchtete. Dieser trug dem Pilatus die Bitte vor, den Leichnam Jesu vom Kreuze abnehmen zu dürfen. Pilatus gewährte ihm diese Bitte. So ging er denn hin und nahm den Leichnam Jesu vom Kreuze ab. Auch Nikodemus fand sich ein. 39 Es ist derselbe Nikodemus, der zum erstenmal bei Nacht zu Jesus gekommen war. Er brachte ein Gemisch von Myrrhe und Aloe mit, wohl hundert Pfund. 40 Sie nahmen den Leichnam und wickelten ihn unter Beimischung der wohlriechenden Stoffe in leinene Tücher ein, wie es bei den jüdischen Beisetzungen Sitte ist.

41 Nicht weit von dem Platze, wo das Kreuz stand, lag ein Garten. Darin befand sich ein neues Grab, worin bis jetzt noch niemand beigesetzt worden war. 42 Da hinein legten sie nun den Leichnam Jesu mit Rücksicht auf den jüdischen Rüsttag, weil das Grab sich in der Nähe befand.

Kapitel 20

1 Am ersten Tage nach dem Sabbat kam Maria von Magdala zum Grabe. Es war sehr früh und noch nicht ganz hell. Da sah sie, dass der Stein vom Grabe weggewälzt war. 2 Sie lief zurück zu Simon Petrus und dem andern Jünger, den Jesus sehr liebte, und sagte zu ihnen: "Man hat den Meister aus dem Grabe herausgenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat." 3 Da eilte Petrus und der andere Jünger hinaus und liefen dem Grabe zu. 4 Beide liefen um die Wette. Doch der andere Jünger konnte schneller laufen als Petrus und kam zuerst an das Grab. 5 Er beugte sich vor und sah die leinenen Tücher da liegen, ging jedoch nicht in das Grab hinein. 6 Nun kam auch Simon Petrus, der länger als er gebraucht hatte, am Grabe an und ging sofort hinein. Auch er sah dort die leinenen Tücher liegen. 7 Doch das Schweißtuch, das auf den Kopf der Leiche gelegen hatte, war nicht bei diesen Tüchern, sondern lag für sich zusammengefaltet an einem besonderen Platz. 8 Jetzt ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst am Grabe angekommen war. Auch er sah das und glaubte. 9 Bis dahin hatten sie die Schrift noch nicht verstanden, derzufolge er von den Toten auferstehen musste. 10Dann gingen die beiden Jünger wieder nach Hause.

11 Maria aber stand in der Nähe des Grabes und weinte. Unter Tränen beugte sie sich vor und blickte in das Grab hinein. 12 Da sah sie zwei Engel im weißen Gewande dort sitzen, den einen am Kopfende, den andern am Fußende der Stelle, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. 13 Diese redeten sie mit den Worten an: "Weib, warum weinest du? Wen suchest du?" Sie antwortete ihnen: "Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat." 14 Nach diesen Worten fühlte sie sich angetrieben, hinter sich zu schauen. Da sah sie Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass er es war. 15 Da sagte Jesus zu ihr: "Weib, warum weinest du? Wen suchst du?" Jene hielt ihn für den Gärtner und antwortete: "Herr, wenn du ihn weggenommen hast, so sage mir, wohin du ihn legtest; dann will ich ihn wieder holen." 16 Jesus sagte nur: "Maria!" Sie stürzte auf ihn zu mit dem Ruf: "Rabbuni!" Dies ist ein hebräisches Wort und bedeutet: "Mein Meister!" 17 Jesus sagte zu ihr: "Fasse mich nicht an! (Denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren) Gehe zu den Brüdern und teile ihnen mit: 'Ich fahre zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott!'" 18 Da eilte Maria von Magdala zu den Jüngern und erzählte ihnen, dass sie den Herrn gesehen, und dass er ihnen das verkünden lasse, was er zu ihr gesagt hatte.

19 Es kam der Abend des ersten Tages nach dem Sabbat. An dem Ort, wo die Jünger sich befanden, hatte man aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen. Da stand Jesus plötzlich mitten unter ihnen und grüßte sie mit den Worten: "Der Friede sei mit euch!" 20 Darauf zeigte er ihnen die Male an seinen Händen und an seiner Seite. Die Jünger waren voller Freude, den Herrn wiederzusehen. 21 Er wiederholte den Gruß: "Der Friede sei mit euch!" Dann fuhr er fort: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." 22 Nach diesen Worten hauchte er sie an und sprach: "Empfanget einen heiligen Geist! 23 Wenn ihr die Fehltritte anderer vergebet, so werden sie auch euch vergeben; traget ihr jedoch andern ihre Fehltritte nach, so wird man sie auch euch nachtragen."

24 Thomas, den man den 'Zwilling' nannte, einer von den Zwölf, war nicht zugegen, als Jesus erschien. 25 Später erzählten ihm nun die andern Jünger: "Wir haben den Herrn gesehen!" Er aber gab ihnen zur Antwort: "Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und mit meinen Fingern nicht ein Nägelmal berühre und meine Hand nicht in seine Seite legen kann, so werde ich es niemals glauben." 26 Acht Tage später waren die Jünger wieder im Hause zusammen, und Thomas war diesmal bei ihnen. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen zu ihnen herein, trat mitten unter sie und grüßte mit den Worten: "Der Friede sei mit euch!" 27 Dann wandte er sich an Thomas. "Siehe hier meine Hände!" - sagte er zu ihm; "berühre sie mit deinem Finger! Dann komm mit deiner Hand und lege sie in meine Seite! Und sei nicht ungläubig, sondern glaube!" 28 Da rief Thomas: "Mein Herr und mein Meister! 29 Jesus erwiderte ihm: "Weil du mich gesehen hast, bist du gläubig geworden. Glücklich zu preisen sind die, welche nicht sehen und doch glauben."

Kapitel 21

1 Später erschien Jesus seinen Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Das trug sich folgendermaßen zu: 2 Simon Petrus, Thomas, mit dem Beinamen der 'Zwilling', Nathanael aus Kana in Galiläa, die beiden Söhne des Zebedäus und noch zwei andere von seinen Jüngern waren beisammen. 3 Da sagte Simon Petrus zu ihnen: "Ich gehe fischen." Die andern sagten, sie wollten mit ihm gehen. So gingen sie denn hinaus ans Gestade und stiegen ins Boot. Ihr Fischfang war jedoch in dieser Nacht ergebnislos. 4 Bei Tagesgrauen stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten freilich nicht, dass es Jesus war. 5 Jesus redete sie mit den Worten an: "Kinder, habt ihr nicht einige Fische als Zukost?" - "Nein!" - antworteten sie. 6 "So werfet das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus!" - entgegnete er - "Dann werdet ihr einen Fang tun!" Sie warfen das Netz aus und vermochten es wegen der Menge der gefangenen Fische nicht mehr aus dem Wasser hochzuziehen. 7 Da sagte der Jünger, den Jesus sehr liebte, zu Petrus: "Es ist der Herr!" Als Simon Petrus hörte, es sei der Herr, warf er schnell sein Obergewand über, legte den Gürtel an - er war vorher nämlich nur im Unterkleid - und sprang ins Meer. 8 Die andern Jünger kamen mit dem Boote nach; denn die Entfernung vom Lande war nicht groß; sie betrug etwa zweihundert Ellen. Das Netz mit den Fischen zogen sie hinter sich her. 9 Als sie an Land stiegen, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen und einen Fisch darauf liegen; auch Brot lag da. 10 Jesus rief ihnen zu; "Bringet noch einige von den Fischen her, die ihr soeben gefangen habt!" 11 Simon Petrus stieg wieder ins Boot und zog das Netz ganz ans Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen angefüllt. Aber trotz dieser hohen Zahl zerriss das Netz nicht. 12 Nun lud Jesus sie ein: "Kommt her und frühstückt!" Doch keiner von den Jüngern wagte die Frage an ihn zu stellen, wer er sei. Sie wussten ja, dass es der Herr war. 13 Jesus nahm nun das Brot, sprach das Dankgebet und teilte es unter sie aus. Ebenso auch die Fische. 14 Das war nun schon das drittemal, dass Jesus nach seiner Auferstehung von den Toten seinen Jüngern erschien.

15 Nach Beendigung des Frühstücks richtete Jesus an Simon Petrus die Frage: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?" - 16 "Sicherlich weißt du es, Herr, dass ich dich liebe", erwiderte er. Jesus sagte zu ihm: "Weide meine Schafe!" Darauf fragte Jesus ihn zum zweitenmal: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?" Er antwortete: "Du weißt doch, Herr, dass ich dich liebe." - "Weide meine Schafe!" - gab ihm Jesus zur Antwort. 17 Dann stellte er zum drittenmal die Frage an ihn: "Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?" Da wurde Petrus traurig, dass er ihn zum drittenmal fragte, ob er ihn lieb habe und erwiderte: "Herr, du weißt alles; du weißt auch, dass ich dich liebe." Jesus gab ihm dieselbe Antwort: "Weide meine Schafe!" 18 Dann fuhr er fort: "Ich versichere dir: Als du noch jung warst, gürtetest du dir dein Gewand selbst und gingest, wohin du wolltest. Bist du aber alt geworden, dann wirst du deine Arme ausstrecken, und andere werden dich gürten und an eine Stätte führen, wohin du nicht willst." 19 Das sagte er, um anzudeuten, durch was für einen Tod Petrus Gott verherrlichen würde. Dann sagte er weiter zu ihm: "Tritt in meine Fußstapfen!" 20 Dann wandte sich Petrus um und sah den Jünger, den Jesus besonders lieb hatte, dicht an dessen Seite stehen. Es ist derselbe, der auch beim Mahle sich an seine Brust gelehnt und ihn gefragt hatte: "Herr, wer ist's, der dich verrät?" 21 Beim Anblick dieses Jüngers richtete Petrus an Jesus die Frage: "Herr, was wird denn mit diesem geschehen?" 22 Jesus gab ihm zur Antwort: "Wenn es mein Wille ist, dass dieser so bleibt, bis ich komme, was kümmert es dich? Sorge du nur dafür, dass du meinen Weg gehst!" 23 Daraus entstand nun unter den Brüdern die Meinung, dass dieser Jünger nicht sterben würde. Aber er hatte ihm ja nicht gesagt: 'Du stirbst nicht!' sondern bloß: Wenn es mein Wille ist, dass er so bleibe, bis ich komme, was kümmert es dich?'

24 Dieser Jünger ist derselbe, der alle diese Begebenheiten als wahr bezeugt und auch der Verfasser dieser Niederschrift ist. Wir wissen, dass sein Zeugnis richtig ist.

25 Noch viele andere wunderbare Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger gewirkt, die in diesem Buch nicht verzeichnet sind. Wollte man das alles im einzelnen niederschreiben, so würde nach meiner Überzeugung die Welt die Bücher nicht fassen, die dann zu schreiben wären. Dies aber wurde niedergeschrieben, damit ihr zu dem Glauben gelanget, dass Jesus der Messias, - der Sohn Gottes ist, und damit ihr infolge dieses Glaubens das Leben erlangt, das er verheißen hat.

 

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